Kilian Ignatz Dientzenhofer
Trotz des großen Ruhms, den Dientzenhofer schon in seiner Zeit erntete, wissen wir über Leben und Ausbildung nicht allzuviel. Überliefert wird seine ungewöhnliche Bildung. Dientzenhofer sprach 6 Sprachen. Er besuchte das Gymnasium und die Universität. Offenbar wollte er ursprünglich den geistlichen Beruf erwählen und kam erst dann zur Architektur. Als 20jähriger war er in Wien bei Fischer von Erlach. Reisen führten ihn weit umher, erst 1722 blieb er in Prag. In Wien erhielt er seine Ausbildung. Er arbeitete wohl auch bei Johann Lucas von Hildebrandt, jedenfalls ist sein Einfluß deutlich zu spüren. Nicht ausgeschlossen erscheint, daß er auch Paris kennen lernte.
Seit 1720 hat er eine fast unübersehbare Zahl von Kirchen in Böhmen, Mähren und Schlesien gebaut. Im Gegensatz zur Architektur seines Vaters, die noch aus dem Bauhandwerk in die Sphäre der hohen Kunst hinaufgewachsen war, hat die seine höfisch-internationales Gepräge. Ein Zug kühler, gelehrter Reflexion haftet seinen Werken zunächst an. Vor allem ist das an seinen frühesten Bauten zu spüren, die er 1720-25 in Prag ausgeführt hat (Villa Amerika, 1720; Ursulinerinnenkirche auf dem Hradschin, 1720-28; Sankt Thomas, Kleinseite, Umbau um 1725). Die barocken Formen treten zurück oder wirken als dekorative Zutaten. Seine Kloster- und Palastbauten behalten immer eine gewisse höfisch-kosmopolitische Eleganz. Trotzdem hat er aber in seinen späteren Kirchenbauten die heimisch-böhmische Formensprache seines Vaters und des Santini Aichel in außerordentlich glücklicher Weise mit dem höfisch-wienerischen Stil verschmolzen.
Erscheint Dientzenhofer anfänglich als ein unpersönlicher Eklektizist, so gewinnen allmählich die auf der Linie Guarinis liegenden Formen die Oberhand in seinen Bauten, und es entstehen so großartige Werke wie die Klosterkirche in Wahlstatt (Schlesien) 1730 bis 1732; Sankt Johann „na skalce“, Prag-Neustadt um 1730; Maria-Magdalenenkirche in Karlsbad 1732; als Vorläufer um 1725 Sankt Bartholomäus in Prag und die Pfarrkirche Počapl, die beide von der einheitlichen Bewegung aller Teile bestimmt sind. Es ist nicht leicht, das Eigene in der Kunst des Dientzenhofer zu fassen. Proteushaft wandelt sich seine Architektur innerhalb der verschiedenen Einflußbereiche, und doch kann man ihr die persönliche Größe nicht absprechen.
Die bevorzugte Grundform seiner Kirchen ist der Zentralbau, während sein Vater von den heimischen Bautypen: Wandpfeilerbau und Emporenhalle ausging. Dieser bestimmt auch die beiden großen Kirchenbauten seiner späteren Jahre in Prag, in denen die lokalböhmischen Elemente wieder zurücktreten zugunsten der übernationalen: den Chorbau von Sankt Niklas auf der Kleinseite mit der großen beherrschenden Kuppel und die Sankt Niklaskirche in der Altstadt. An Adelspalästen baute Dientzenhofer in Prag das Palais Sylva-Tarouca am Graben, das Palais Kinsky am Altstädter Ring, den Pavillon im alten botanischen Garten und den Portheimschen Pavillon in Smichov.