“Die Geschichte des Jazzclubs Reduta 57” – Erinnerungsveranstaltung zum ersten Konzert in Prag des Prager Jazzclubs Reduta
Jazz ist ein besonderer Musikjargon, der von der Bourgeoisie erschaffen wurde, um das Weltbürgertum als Produkt ihrer Klassenideologie musikalisch auszudrücken. Mit diesen Worten haben Milan Bartoš und Karel Macourek diese Ideologie nach der Publikation von V. Gorodinský “Musik des seelischen Elends” in ihrem Buch aus dem Jahre 1954 beschrieben.
Im Sinne dieser Ideologie wurde nach 1948 die Zeitepoche liquidiert, für die Josef Škvorecký nachträglich die Bezeichnung “Zeitalter des Nylons” einführte. Sonst hatte bei uns Jazz immer eine sehr gute Tradition, die er auch weiterhin hat. Seit den Versuchen von E.F. Burian und der ausgezeichneten Produktion von Jaroslav Ježek und ihrer Vorfahren ist viel Wichtiges in der Entwicklung dieser Musik geschehen.
Die Bewegung zur Rehabilitierung des Jazz tauchte nach und nach aus der Fan-Unterwelt an die Oberfläche auf und suchte sich in Fachkreisen diejenigen, die bereit waren, ihr zuzuhören. Neben der Tanzmusik versteckte sich der noch verdächtige Jazz hinter etwas allgemein Akzeptablerem. Langsam endete die Zeit der Studenten-Jazzbands.
Bereits 1945 ist der Jazzclub “Pygmalion” auf dem Wenzelsplatz im Palast Fénix, der seine Tätigkeit infolge der Verstaatlichung 1948 beenden musste, wieder entstanden. In den 50er Jahren, besser gesagt 1957, entstand im Kreis von jungen Jazz-Begeisterten um Karel Velebný und vor allem um das “Studio 5”, die auf der Suche nach einem geeigneten Platz für ihre Auftritte waren, die Idee, an die Tradition von “Pygmalion” anzuknüpfen (K. Velebný, L. Hulan, J. Konopásek, I. Dominák, V. Tomek).
1957 fand der Bassist Ing. Jan Arnet einen geeigneten Platz in dem Gebäude, wo er bei der Firma “Potrubí” im dritten Stock arbeitete. Im Kellergeschoss befand sich ein leeres Objekt, das sich zur Gründung eines Jazzclubs als ideal erwies, was die Zukunft bestätigte. Die Aktivitäten begannen bereits Mitte Oktober 1957 mit einem ersten Konzert! Am Konzert nahmen eine ganze Reihe von Musikern der Jazzszene teil – sie kamen aus den Orchestren von Karel Vlach, Ferdinand Havlík, Zdeněk Barták, Jiří Procházka – und zahlreiche Musiker wie Jan Hammer, Vlasta Průchová, “JA Quartet” (J. Arnet, S. Macák, R. Rokl, K. Růžička), das auf “West Coast” orientierte “Modern Jazz Quintett” (E. Jegorov, R. Mazač. A. Kubánek, R. Dašek und M. Veselý), des weiteren J. Konopásek, A. Hollitzer, F. Sojka, J. Suchý, K. Velebný, I. Preis, J. Mráz, A. Gondolán, R. Kubernát, K. Krautgartner, M. Vitouš, J. Jelínek, J. Suchý und viele andere. Kurz danach begann das literarische- und Jazzcafé “Viola” von Jiří Osterman und Luděk Hulan in der Nähe von Reduta, ebenfalls auf der Nationalstraße, seine Tätigkeit.
Die Idee eines Jazzfestivals hing in der Luft, aber keiner hätte es gewagt, ein Jazzfestival in Prag zu veranstalten. 1962 wagte es Alois Ježek (Direktor der “Kleine Szene”) in Karlsbad die sog. “Internationale Vorführung von Jazzensemblen” zu organisieren, unter der Teilnahme von: Orchester des tschechoslowakischen Rundfunks von Karl Krautgartner, des weiteren Jan Hammer, Vlasta Průchová, “Jazzové Studio” (I. Dominák, A. Hollitzer, L. Hulan, R. Kubernát, V. Tomek) “Jazzové Trio” (R. Rokl, L. Hulan, I. Dominák) “S+H Quartett” (J. Konopásek, M. Pilar, P. Staněk, K. Velebný).
“Orchestr Gustav Brom”, “Bratislava Jazz Quartett”, “Trio Míša Polák” (M. Polák, K. Turnovský, A. Gondolán) “Quartett Ferdinand Havlík” (F. Havlík, J. Kysilka, K. Růžička, A. Gondolán) “Prager Dixieland”, “Studiogruppe Traditions Jazz” Pavel Smetáček, “Quintett Hanuš Berka” (M. Dvořák, M. Kredba, J. Rozkošný, J. Vacek, H. Berka) “Studio Club” K.V. (M. Šostok, M. Sklenář, J. Spira, F. Kos, O. Nechanský) “Jazz Combo” Ústí n. L. (Z. Bartoš, F. Bureš, F. Cafourek, S. Košvanec, V. Novák, P. Štolba, E. Ženatý).
Die nächste Generalprobe für das erste Jazzfestival sollte in Prag eine Veranstaltung mit dem noch relativ unverbindlichen Namen “Internationales Treffen von Jazzensembles” darstellen. Dort trafen zwar nur Ensembles aus den Ländern des ehemaligen sozialistischen Blocks zusammen, aber auf dem Programm stand auch der aktuelle, mit dem Zeitgeist pulsierende Jazz. Die viertägige Veranstaltung verzeichnete beim Publikum einen außerordentlichen Erfolg. Die Vorführung der polnischen Gäste geriet allerdings etwas über die Grenze, die unsere “Wächter der ideologischen Reinheit” noch ertragen konnten. Die Zeitung “Rudé Právo” veröffentlichte eine vernichtende Rezension und die Gedanken an ein Jazzfestival musste man wieder auf Eis legen. Aber nur für etwa zwei Jahre!
Die Liberalisierungstendenzen waren nicht mehr aufzuhalten und die Bewegung von unten fand immer mehr Partner in Insitutionen wie dem Verbund der Komponisten, dem Rundfunk und dem Fernsehen. Die Zeit war reif und so kam auch Prag an die Reihe!
Im Herbst 1964 fand im großen Saal der Lucerna das erste “Jazzfestival” statt, welches dann in einer ähnlichen Atmosphäre bis zur Invasion im August 1968 fortgesetzt wurde. Jazzfestivals waren zu einem wichtigen Treffpunkt tschechischer und ausländischer Musiker, Theoretiker und Kritiker geworden. Aus diesen Treffen gingen anschließend wertvolle Erkenntnisse hervor, die die weitere Gestalt und die Entwicklung des Jazz, dieser aus historischer Sicht sehr bedeutenden Musikrichtung des XX. Jahrhunderts, beeinflusst haben.
Die Dramaturgie und auch die Atmosphäre haben sich zwar etwas verändert, aber nicht mal die “Normalisierung” konnte die Existenz des Jazzfestivals gefährden. 1964 war es eigentlich das erste Treffen mit echten amerikanischen Jazzmusikern, fast nach dreißigjährigem Warten … 1965 – dank freier Termine – trat außerhalb des Festivalrahmens Louis Armstrong auf. Alle neun seiner Konzerte waren ausverkauft! Lucerna wurde zum Treffpunkt von Jazz-Begeisterten, und nicht nur von uns, sondern auch aus unseren Nachbarländern Polen und vor allem aus der DDR. Die Veranstalter durften einmal im Jahr in den vier Tagen nur ein Ensemble aus den USA präsentieren. Amerikanische Musiker konnten jedoch gemischte internationale Bands unterstützen, die einen anderen als einen amerikanischen Ausweis vorweisen konnten. Konzerte in Lucerna endeten meistens nach Mitternacht und aus diesem Grund folgte immer im Reduta eine Jazz Session (“Jamsession”) .
Reduta hat sich den Ruf eines erstklassigen Jazzclubs auch nach 1989 bewahrt. 1994 spielte hier auf Einladung von Václav Havel der amerikanische Präsident Bill Clinton mit Begleitung einer Gruppe tschechischer Jazzmusiker. Der Jazzclub Reduta hat auch im europäischen Kontext einen guten Namen und er würde sicherlich mehr verdienen, als nur einer von vielen Jazzclubs in Prag zu sein. Für den Prager Jazz, seine Musiker und das internationale Publikum hat sich Reduta einen Hauch der Jazztradition noch immer erhalten.