Land Art - Bügellohe

Verbinden und Zusammenwachsen – von Land zu Land

Die Stadt Schönsee beteiligt sich als Projektpartner auf bayerischer Seite am Projekt “Verbinden und Zusammenwachsen – von Land zu Land”, das im Zeitraum vom 01.02.2018 bis zum 30.09.2020 umgesetzt wird. Leadpartner ist die Galerie Klatovy / Klenová, weitere Projektpartner die Westböhmische Universität Pilsen und die Stadt Vilseck. Das Projekt wird aus Mitteln des Fonds für Regionale Entwicklung im Rahmen des Programmes Ziel ETZ Tschechische Republik – Freistaat Bayern 2014-2020 kofinanziert. Die Stadt Schönsee vergab die Umsetzung des Projekts an das Centrum Bavaria Bohemia (CeBB) in Schönsee.
Vorwort des Kurators Jan Van Woensel

Land Art – Zum Untergang bestimmte Kunst

Wenn sich Natur und Kunst verbinden, entsteht eine unnatürliche Beziehung. Jedes Mal, wenn der Mensch auf einem Gipfel ein Denkmal errichtet, gibt er der Gesamtszenerie eine gewisse Bedeutung, die ihr nicht eigen ist. Der Berg und seine Umgebung bekommen durch den Bau eine Bedeutung, die ihnen weder dient noch guttut. Die neu aufgezwungene Gestalt ist genau das, was der französische Kulturtheoretiker Jean Baudrillard als „Abbildung“ (simulacrum) definierte – das, was die Wahrheit verbirgt; ein von ihrem ursprünglichen Sein abgetrenntes Ding. Manchmal werden Monumente religiösen Charakters in die Natur platziert. Ein andermal wird durch Gedenkstätten auf Schlüsselmomente der Geschichte verwiesen. In beiden Fällen melden sich Religion oder Geschichte als der Natur fremde Motive in der Landschaft zu Wort und wirken durch ihren psychologischen Einfluss ständig auf sie ein.

Zeitgenössische Kunst in der Natur, Werke, die mit der Natur interagieren oder bewusst für einen bestimmten Ort in der Natur geschaffen wurden, haben auf die Gesamtszenerie oft einen geringeren Effekt als die erwähnten Denkmäler. Einer der Gründe dafür könnte sein, dass die heutigen Künstler nicht mit religiösen oder historischen Motiven arbeiten. Künstler, die sich der Bildhauerei und der Landschaft widmen, suchen oft nach Harmonie zwischen dem Bild der Natur und dem in sie integrierten Kunstwerk. Sie befinden sich freilich in einer widersprüchlichen Situation. Die Auffassung, Land Art sei eine aussterbende Kunstform, ist aus einem bestimmten Blickwinkel betrachtet pragmatisch und eine Reaktion auf den immer größeren Mangel an Raum und Gelegenheit für in diesem Genre tätige Künstler sowie auf deren geringe Präsenz auf dem Gebiet der Kunst allgemein.

Andererseits verstehen Künstler schon seit den 1960er Jahren, als sich die Land Art durchsetzte, den Prozess des allmählichen Verschwindens als Aussöhnung mit dem Einfluss der Natur auf das Kunstwerk: natürliche Erneuerung der Vegetation, Erosion, ständiger Einfluss von Naturgewalten und klimatischen Veränderungen. Ein fantastisches Beispiel von Kunst, die sich aus ihrem Wesen heraus dem bestimmenden Einfluss der Natur unterwirft, ist das Projekt „La Ribaute“ von Anselm Kiefer, das der Dokumentarfilm „Over Your Cities Grass Will Grow“ („Und Gras wird wachsen über euren Städten“) von Sophie Fiennes aus dem Jahr 2010 zum Thema hat. Kiefer geht von dem Gedanken aus, dass seine Werke lebende Dinge sind, deren Veränderungen in geologisch langsamem Tempo ablaufen können. Sein Ziel ist es, Fragmente oder nur halb ausgearbeitete Ausdrucksmittel zu schaffen: unvollständige Werke, die auf die Flüchtigkeit aller Dinge in der physischen Welt hinweisen. „La Ribaute“ ist die Gesamtbezeichnung für Dutzende eigenständige monumentale Betontürme, eine Unzahl gegrabener Höhlen und Labyrinthe auf einer Fläche von 14 Hektar. Dieser apokalyptische, dystopische, einer eigenständigen Stadt ähnelnde Komplex ist heute verlassen und wird von der Natur langsam überwachsen und geschluckt. Bisweilen stürzt einer der Bauten ein und hinterlässt nichts als Ruinen. Dieser Prozess ist Teil von Kiefers halbautonomem Projekt.

Die Wanderausstellung „Land Art / Verbinden und Zusammenwachsen – von Land zu Land“ betont die Notwendigkeit des Dialogs über die Bedeutung der Land Art und unterstützt deren Entwicklung bei jungen Künstlern. Es ist wichtiger, eine Debatte über eine verschwindende Kunstform anzustoßen, als man sich denken kann. In den meisten Fällen scheint es, als sei die Land Art eine der sehr wenigen Kunstformen, die sich kommerziellen Tendenzen widersetzt, eine Herausforderung für die Erhaltung der Kunstwerke bedeutet und institutionelle Ausstellungsformate in Frage stellt. Wie soll man Kunst ausstellen, die dafür geschaffen wurde, im Freien präsentiert zu werden oder, genauer gesagt, die infolge ihres Wesens in einer natürlichen Beziehung mit der Natur steht? Aus diesem Grund kann ich den Besuchern hier nur Eindrücke von Land Art mit Hilfe von Fotografien einzelner Werke bieten. Die Originale lassen sich nicht transportieren.

Kurator Jan Van Woensel
Februar 2020, Pilsen – Prag