„1918 und 1968“ – Blick auf einschneidende Ereignisse in den ersten fünfzig Jahren im Nachbarland
1918: Gründung der 1. Tschechoslowakischen Republik und 1968: der Prager Frühling – das Centrum Bavaria Bohemia (CeBB) setzte mit Vortrag und digitaler Ausstellung seinen Blick auf zeitgeschichtliche Wendepunkte der letzten 100 Jahre fort.
CeBB-Leiterin Dr. Veronika Hofinger hat für das Jahresthema “Von der Paneuropa-Idee ins gemeinsame Europäische Haus. Begegnungsveranstaltungen im Jubiläumsjahr 2018” die Euregio Egrensis als Förderpartner mit dem von der EU finanzierten Dispofonds gewonnen. Die seit September im CeBB laufenden drei parallelen Fotoausstellungen „Das Jahr 1918 in Prag in historischen Fotografien“, „Pilsen im August 1968“ und „Durch das Objektiv der Geheimpolizei“ werden seit Dienstag von einer digitalen Präsentation des Tschechischen Zentrums München über die Jahre 1918 und 1968 ergänzt, die Direktor Jiří Rosenkranz überbrachte und mit einem Touch auf die Bildschirme in Gang setzte. Er bezeichnete in seinen einführenden Worten die fünfzig Jahre auseinanderliegenden Ereignisse als Schlüsseljahre für das heutige Tschechien, das schon das ganze Jahr in zahlreichen Veranstaltungen an die historischen Zusammenhänge und an die Protagonisten der Staatsgründung von 1918 und des Prager Frühlings von 1968 erinnert. Für die Bürger des Nachbarlands waren die Monate vor dem 21. August eine Phase der Hoffnung. Mit der brutalen Niederschlagung des Aufbruchs durch sowjetische Panzer endete der von Dubcek in Gang gesetzte Auflockerungsprozess im Desaster. 21 Jahre später hat die Samtene Revolution 1989 die Weichen in Richtung Demokratie und Europa gestellt.
Die Programmvielfalt des Frühjahrs zu 100 Jahren Zeitgeschichte setzte das CeBB im Herbst nicht nur mit Ausstellungen, sondern am vergangenen Dienstag auch mit einem Vortrag von Rainer Christoph fort, den Veronika Hofinger als unermüdlichen Initiator von grenzüberschreitenden Projekten willkommen hieß. Früher als Lehrer und Schulleiter, jetzt als pensionierter Rektor, gehört er zu den treibenden Kräften der Zusammenarbeit zwischen den beiden Nachbarländern. Der Brückenbauerpreisträger unterstützte vom Start des CeBB im Jahr 2006 den Trägervereins als Mitglied – viele gemeinsame Projekte entstanden, insbesondere im Kontext mit der Goldenen Straße, Karl IV. und Pilsen, Kulturhauptstadt Europas 2015. Für den Kenner der bayerisch – böhmischen Geschichte war das Jubiläum 100 Jahre 1. Tschechische Republik Anlass, sich mit 1918 als Jahr der Staatsgründung und der Zeit vor und nachher intensiv zu befassen und die staatliche Neuordnung nach dem Ende der Donaumonarchie in einen Vortrag nachzuzeichnen.
„Zwischen unseren Nachbarländern gab es signifikante Verquickungen, vieles in der böhmischen Geschichte hatte seine spiegelbildlichen Auswirkungen in der Oberpfalz“ meinte Rainer Christoph eingangs bei der Betrachtung der Jahrhunderte vom Mittelalter bis zu Neuzeit. Mit dem Ende des 1. Weltkriegs waren die bayerische, die preußische und die Habsburger Monarchie Österreich – Ungarn am Ende. Bewegungen aus dem Volk proklamierten als neue Staatsform die Republik. Das Kriegsende am 28. Oktober 1918 gilt als Gründungstag Tschechoslowakische Republik, geführt vom Philosphieprofessor Tomáš Garrigue Masaryk. „Die Welt erhebt sich“ titelte am 29. 10.18. das Prager Tagblatt. Nur ein paar Tage später rief am 8. November Kurt Eiser nach dem Sturz des letzten bayerischen Königs Ludwig III. in München den Freistaat Bayern aus. Die Tschechoslowakische Republik führte T.G. Masaryk als Staatspräsident bis 1935, dreimal (1920, 1927 und 1934) wurde er wiedergewählt. Neben den Tschechen mit 51,5 % und den Deutschen mit 23,4 % waren die Slowaken mit 14 % die größten Volksgruppen. Als Verfechter eines liberalen und demokratischen Humanismus vertrat er zwar eine gemäßigte Richtung, konnte aber die Scharfmacher in der tschechischen Fünf-Parteien-Regierung nicht zu einem Ausgleich mit den großen Minderheiten bewegen. Ihnen mehr Autonomierechte einzuräumen, wäre der Schlüssel für eine konfliktärmere Politik gewesen.
Die nächste Veranstaltung in der Reihe ist der bb-talk am Mittwoch, den 24.10. Um 18 Uhr diskutieren zwei deutsche und zwei tschechische Gäste bei „1968: Eine Generation, zwei Welten“ über ihre Erlebnisse in dieser aufgewühlten Zeit.