Tschechische Braukunst abseits von Pilsner Urquell und Budweiser
Kleine Brauereien gedeihen in Tschechien vortrefflich im Schatten der großen internationalen Braukonzerne Pilsner Urquell und Budweiser. Ein Australier in Pilsen erzählt beim 106. deutsch-tschechischen Stammtischtreffen in Rybník (Waier), wie er sich als Braumeister in einer Nische behauptet.
Zum Beweis hat Filip Miller sechs aktuelle Biere von bisher fast 100 von ihm und seinem kleinen Team seit 2015 gebrauten Sorten zum Probieren mitgebracht. Gespannt schauten die Gäste beim 106. Deutsch-Tschechischen Stammtisch am Mittwoch im Restaurant in Rybník (Waier) auf die Flaschen mit den sechs modern gestalteten Etiketten. Was sich wohl hinter „Sydney APA“, „White IPA“, „Gunslinger IPA“, „Illegal IPA“, „Orange IPA“ und „Double Black Cream IPA“ verbergen wird? Englisch Raven, zu Deutsch Rabe hat er seine Brauerei mit 20.000 hl Ausstoß im Jahr genannt, nur 1 km Luftlinie von der mächtigen Pilsner Urquell Brauerei entfernt. Brauereibesitzer Filip Miller folgte gerne der Einladung des Centrum Bavaria Bohemia (CeBB), beim Stammtisch im Oktober über seine Bierphilosophie zu reden und zu erzählen, wie er als Australier in Pilsen gelandet ist.
Filip Miller und sein Team sind experimentierfreudig und lassen sich beim Brauen von neuen Craft-Bieren viel einfallen. Hopfensorten aus aller Welt werden verarbeitet, sogar Beeren, geriebene Orangenschalen oder Scotch Whisky wandern in den Sud. Kreative Braumeister aus anderen Ländern folgen seinen Einladungen, ein paar Tage als Gastbrauer mitzumachen. So hat sich Raven in nur drei Jahren einen exzellenten Namen auf dem schwierigen Pilsner Bierterrain aufgebaut. Aktuell hat die Craft-Biermanufaktur 25 Sorten im Angebot. Gemäß dem Motto, dass Bier nicht nur hell oder dunkel sein muss, gleicht Raven eher einer Bierküche, bei der man untergärige Biere (fast) vergeblich sucht. Kein Wunder, denn ein Pils in Pilsen zu brauen wäre ob des übermächtigen Pilsner Urquell ein nicht zu gewinnender Kampf zwischen David gegen Goliath. Filip Millers Biere sind obergärige, deutlich amerikanisch inspirierte Craft-Biere. Aushängeschilder sind die „American Pale Ale’s (APA)“ und die „Indian Pale Ale‘s (IPA)“, von denen einige extrem bitter und hopfig schmecken. Die Hopfen kommen aus den USA, Australien, Japan, aber auch aus Deutschland. Neben dem Biervertrieb geht viel in der eigenen Bierstube bei der Brauerei über den Tisch. Sein Team versteht sich als Brauercrew, zusammengesetzt aus Autodidakten mit nicht zu bremsender Bierleidenschaft. Jahreshöhepunkt ist das Raven Bierfest im Sommer.
Mutter Miller emigrierte aus Pilsen nach Australien, Sohn Filip wuchs in Sydney auf. In den 90er kehrte die Mutter nach Tschechien zurück. Das Studium der Germanistik machte er in Australien noch fertig, dann folgte er 2002 seiner Mutter. Zuerst verdiente er sich in Pilsen sein Geld als Englischlehrer, verlor aber seine Leidenschaft zum Bierbrauen nicht aus den Augen. Seinen großen Traum von einer eigenen Brauerei verwirklichte Filip Miller 2015 zusammen mit Ladislav Vrtiš in der Mozartová Straße etwas nördlich vom Stadtzentrum.
CeBB-Praktikantin Silvie Burešová assistierte dem Braumeister gekonnt beim Einschenken in die Probiergläser und Europäische Freiwillige Marie Eliášová sorgte für die Übersetzung. Kommentare wie „interessant, bitter, schmeckt hervorragend, gewöhnungsbedürftig, erst beim zweiten Schluck gut“ machten die Runde. Als alle 6 Probierflaschen leer waren, musste dann doch wieder Pilsner Urquell aus dem Wirtshauszapfhahn herhalten. Sebastian Lesnak und Tereza Pechová dankten am Schluss Bürgermeister Miroslav Kadlec für die Bewirtung mit Grillwürsten und Apfelstrudel und der Runde fürs Kommen, zu der sogar Gäste bis aus Lam anreisten. Der nächste Stammtisch ist am 7. November wieder in Schönsee in der Pizzeria La Strada mit der Polizei als Thema.