Grenzüberschreitenden Wissenschaftstag am 11.04.13 stellt deutsch-tschechische Forschungsarbeiten im CeBB vor
Vergangene Woche präsentierten zum 5. Mal junge Wissenschaftler von deutschen und tschechischen Universitäten ihre Abschlussarbeiten und Forschungsprojekte beim Forum "Wissenschaft ohne Grenzen - grenzüberschreitende Studien im Fokus" im Centrum Bavaria Bohemia (CeBB). Der vom Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds geförderte Wissenschaftstag bot den zahlreichen Teilnehmern von deutscher und tschechischer Seite ein umfangreiches Programm mit Kurzvorträgen zu wissenschaftlichen Arbeiten und Forschungsprojekten, die das Publikum teilweise intensiv diskutierte und hinterfragte. Große Resonanz fand der Tag bei Studierenden der Westböhmischen Universität in Pilsen und Schülern eines Prager Gymnasiums, die mit Bussen anreisten.
Das Forum “Wissenschaft ohne Grenzen” erfährt immer größere Aufmerksamkeit, so dass das Programm in diesem Jahr auf einen ganzen Tag ausgeweitet wurde. 14 Wissenschaftler der Universitäten in Prag, München, Pilsen, České Budějovice / Budweis, der Hochschulen Regensburg und Ludwigsburg, vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg und der Abiturient eines Pilsner Gymnasiums bewiesen, wie breit das Forschungsfeld zu grenzüberschreitenden Themen ist.
Kultur- und Wirtschaftsbeziehungen, deutsche Minderheit und Vertriebene
Den Anfang machte CeBB-Mitarbeiterin Maika Victor-Ustohal, die ihre im Rahmen ihres berufsbegleitenden Kulturmanagement-Studiums entstandene Masterarbeit zu den Perspektiven der deutsch-tschechischen Kulturbeziehungen am Beispiel der Städtepartnerschaft Regensburg – Pilsen vorstellte. In Interviews mit Stadtvertretern und Kulturakteuren suchte sie herauszufinden, welchen Stellenwert die Partnerschaft besitzt und was in sich konkret tut. Die Auswertung des erhobenen Materials und Empfehlungen für die Weiterentwicklung der Beziehungen zwischen den Partnerstädten sind von konkretem Nutzen. Das 20-jährige Jubiläum der Städtepartnerschaft sowie die Kulturhauptstadt Pilsen 2015 könnten Impulse für eine Intensivierung sein. Nicole Litzel vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg stellte eine noch nicht abgeschlossene grenzüberschreitende Unternehmensbefragung zu deutschen Direktinvestitionen in Tschechien vor. Dabei sollen die Auswirkungen auf die Arbeitsmärkte in beiden Ländern analysiert werden, die immer wieder kontrovers diskutiert werden.
Die Bachelorarbeit “Die Deutsche Minderheit und der Prager Frühling” der Studentin Petra Kokošková versucht eine Forschungslücke zu schließen. Ihre Untersuchung beleuchtet die Auswirkungen des Erneuerungsprozesses in der Tschechoslowakei Ende der 1960er Jahre auf das Leben der deutschen Bevölkerung. Im Raum stand die Frage, in welcher Weise die Ereignisse des Prager Frühlings die deutsche Minderheit beeinflusst hat. Das Dissertationsprojekt von Katharina Anna Aubele beschäftigt sich mit dem Leben und dem politischen Engagement vertriebener Frauen in den Anfangsjahren der Bundesrepublik Deutschland. In ihrem Vortrag ging sie speziell auf Frauen aus der Tschechoslowakei, auf die Frage ihrer Identität, ihre Netzwerke und ihre Aktivitäten innerhalb der Sudetendeutschen Landsmannschaft, der Ackermann-Gemeinde und der Seliger-Gemeinde ein.
Projektvorstellungen und Suche nach Projektpartnern
Nach der Mittagspause folgte ein Block mit kurzen Projektvorstellungen. PhDr. Marta Ulrychová, Ph.D. und Mgr. Zdeněk Vejvoda, Ph.D. stellten den zweiten Band des Buches „Volkslieder der Region Pilsen“ vor, das auf umfangreichen historischen Quellen und Analysen beruht. Es enthält fast 50 Lieder aus ursprünglich deutschen Gebieten der Region Pilsen. Prof. Ing. Vladislav Čurn, Ph.D. erläuterte die Aktivitäten des Biotechnologischen Zentrums der Südböhmischen Universität České Budějovice / Budweis, das an der Zusammenarbeit und gemeinsamen Forschungsprojekten mit ausländischen Institutionen interessiert ist. Studentische Entwurfsprojekte für den Grenzraum standen im Mittelpunkt des Bericht von Prof. Anne Beer von der Architekturfakultät der Hochschule Regensburg. Monika Traubová stellte das Projekt “Czech In!” des Deutsch-Tschechischen Jugendforums vor, das Schüler und Studierende für das Nachbarland Tschechien begeistern will.
Untersuchungen zur deutschen und tschechischen Sprache
Der nächste thematische Block fasste Forschungsarbeiten zu sprachwissenschaftlichen Themen zusammen. Oliver Engelhardt, Ph.D. präsentierte die Ergebnisse einer Forschung an tschechischen Schulen zur gegenwärtigen Situation der deutschen Sprache. In der Studie kristallisierten sich zahlreiche Gründe für den Rückgang des Interesses am Deutschlernen heraus. Neben Hürden im Schulsystem spielen die Einstellung der Schüler, der Eltern, der Lehrkräfte, der Schulen und gesamtgesellschaftliche Tendenzen eine Rolle. Die Dissertation von Mgr. Michala Kutláková von der Südböhmischen Universität České Budějovice / Budweis beschäftigt sich mit der Konzeption des Faches “Tschechisch als Fremdsprache”, abgestimmt auf die Bedürfnisse deutscher Muttersprachler. Die anschließend von Bc. Jakub Kolínský von der Westböhmischen Universität in Pilsen vorgestellte Untersuchung zum qualitativen Niveau der Aussprache des Deutschen bei Schülern tschechischer Mittelschulen machte deutlich, das dieses nicht zufriedenstellend ist. Besonders das lange geschlossene E wie in “Idee” und “mehr” oder der Ich-Laut wie in “möchten” oder “nämlich” bereiten tschechischen Schülern ziemliche Probleme. Die Auswertung eines zusätzlichen Fragebogens zur Untersuchung der Gründe kam zum überraschenden Ergebnis, das die Probanden, die am besten abgeschnitten haben, weder länger in Deutschland waren, noch gut Deutsch sprechende enge Verwandte haben. Die Bachelorarbeit von Nela Střídová untersuchte die Stellung des Deutschen und Tschechischen als interne Firmensprache in einem binationalen Unternehmen und bestätigt den starken Einfluss des Englischen, aber auch die Verwendung des Deutschen in einigen Ländern Europas, wie bspw. in Tschechien.
Literatur, untergegangene Ortschaften, Kunst
Die Diplomarbeit von Mgr. Šárka Ledinská verglich die Struktur der Märchen der bedeutendsten Märchensammler Tschechiens und Deutschlands, K. J. Erben und der Gebrüder Grimm. Sie hat dafür vergleichend den Raum in Märchen, bspw. Zimmer, Haus und Wald, verschiedene Schauplätze und die Wege der Helden analysiert. Martin Kolovský, der in diesem Frühjahr sein Abitur an einem Pilsner Gymnasium macht, ist der erste Schüler, der beim Forum “Wissenschaft ohne Grenzen” referierte. Er hat eine schulische Facharbeit zu den verschwundenen Ortschaften bei Bělá nad Radbuzou / Weißensulz verfasst. Diese fasst die Geschichte der einzelnen Ortschaften zusammen und stellt ihren heutigen Zustand vor, u.a. auch in Form einer interaktiven Landkarte und einer Foto-Datenbank. “Das Sudetenland als Thema in der bildenden Kunst” ist Gegenstand der Dissertation von Bronislava Rokytová von der Karls-Universität Prag. Sie zeigte anhand zahlreicher Beispiele, dass das Sudetenland die Kunst als ein inspirierendes, aber auch absichtlich manipuliertes Motiv beeinflusst hat.
Das Forum “Wissenschaft ohne Grenzen” wird jährlich in Zusammenarbeit mit deutschen und tschechischen Universitäten und Hochschulen veranstaltet. Ein breiter Interessentenkreis soll so über aktuelle grenzüberschreitende Forschungen informiert werden. Außerdem werden Studierende angeregt, deutsch-tschechische Fragestellungen für ihre Abschlussarbeiten zu wählen.
Presse-Echo
- Oberpfalz TV – Magazin vom 11.04.13
Schönsee: Wissenschaft ohne Grenzen
- Mittelbayerische Zeitung – 12.04.13
Verbindung zu Pilsen verbessern - Bayerwald-Echo, Waldmünchen – 13.04.13
“Interesse an deutscher Vergangenheit” - Der Neue Tag, Grenzwarte – 18.04.13
“Arbeitsmarkt bis Prager Frühling” - Der Neue Tag, Hochschule – 23.04.13
“Grenzüberschreitende Themen im Reagenzglas”