bb-talk – “Leben im Nachbarland” – grenzüberschreitende Talkrunde zum Thema: Das Frauenbild im Nachbarland am 18.10.2012
Wo sind Sie lieber Frau - in Deutschland oder in Tschechien? Dies war nur eine von vielen Fragen, die Moderatorin Bára Procházková an die vier Damen aus Deutschland und Tschechien auf dem Podium bei bb-talk richtete. Das hochinteressante Thema "das Frauenbild im Nachbarland " wurde am Donnerstag, den 18.10.12 im Centrum Bavaria Bohemia (CeBB) in Schönsee zwei Stunden lang lebhaft diskutiert, ergänzt von Wortmeldungen aus dem Publikum.
Podiumsgäste der vom Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds geförderten Diskussionsreihe des CeBB “bb-talk – Leben im Nachbarland” waren diesmal vier Frauen – zwei Deutsche, die in Tschechien wohnen, bzw. wohnten, und zwei Tschechinnen, deren Lebensmittelpunkt seit Jahren Deutschalnd ist: Die tschechische Seite repräsentierte Jaroslava Seidlmayer, die Anfang der 1970er Jahren in Furth i.W. heimisch wurde und Kateřina Karl Brejchová, die seit 12 Jahren in Regensburg zu Hause ist. Beide Tschechinnen haben Familie und brachten ihre vielfältigen Erfahrungen aus der Kindererziehung in die Debatte ein.
Von deutscher Seite diskutierten Anke Zimmermann, die seit 2005 regelmäßig in Tschechien war und 2011 eine hauptberufliche Tätigkeit als Referentin beim Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds in Prag aufnahm und Franziska Stölzel, die in Prag und Pilsen studierte, an verschiedenen deutsch-tschechischen Projekten mitwirkte und jetzt ein Masterstudium in Jena begann.
Moderiert wurde die Runde von der Journalistin Bára Procházková aus Prag, die viele Jahre in Deutschland lebte und in Hamburg studierte. Die gut gefüllten Zuhörerreihen zeigten das Interesse am Thema – auch unter den männlichen Gästen.
Überraschend für das deutsche Publikum war, dass es in Tschechien das Fräulein noch gibt, ja sogar gefragt wird “Fräulein oder Frau?”. In Deutschland ist das schon längst passé. Auch bei den Berufsbezeichnungen ist in Deutschland die weibliche Form gang und gäbe. In Tschechien steht bei Frauen auf der Visitenkarte und auf dem Türschild noch oft die männliche Berufsbezeichnung. Dass Frauen auch in der tschechischen Sprache eine weibliche Form der Berufsbezeichnung verdient haben, stand für alle Teilnehmerinnen außer Zweifel.
Eine Besonderheit ist in Tschechien die Endung -ová beim Familiennamen der Frau. Inzwischen gibt es in Tschechien eine Diskussion über dieses Thema, denn streng sprachlich gesehen drückt sie ein Besitzverhältnis zum Mann aus. Deshalb wollen viele Tschechinnen diese weibliche Endung heute nicht mehr annehmen. Über dieses Thema gibt es inzwischen eine politische Diskussion, die sich im bevorstehenden Präsidentschaftgswahlkampf verstärken könnte. Einigkeit herrschte auf dem Podium darüber, dass für Frauen in beiden Ländern die Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ganz oben steht.
Viele gut ausgebildete Frauen sind nach langem Studium in Tschechien nur kurze Zeit berufstätig, bevor sie eine Familie gründen – und haben danach Schwierigkeiten, in den Beruf zurückzukehren. Während in der früheren Tschechoslowakei berufstätige Mütter an der Tagesordnung waren, sah die Situation im Deutschland der 1970er Jahre ganz anders aus, wie Jaroslava Seidlmayer aus eigener Erfahrung berichtete. Dennoch konnte sie, ebenso wie Kateřina Karl Brejchová, neben der Kinderbetreuung ihrem Beruf nachgehen. Ein großes Glück, wie beide Frauen betonten, war für sie, sich einen, wenn auch nur manchmal kleinen Freiraum zur Selbstverwirklichung zu schaffen. Jetzt hat Deutschland in der Kinderbetreuung und in der Vereinbarkeit von Familie und Beruf mächtig aufgeholt.
Gegen Ende der Diskussion warf Moderatorin Bára Procházková die These in die Runde, die ideale Partnerschaft wäre die Verbindung “zwischen einem deutschen Mann und deiner tschechischen Frau”. Warum? Die tschechische Frau sei gewohnt, besonders viel Energie in den Haushalt zu investieren. Bezeichnend dafür ist der jährliche Wettbewerb vor Weihnachten, wieviele Sorten Plätzchen werden gebacken “zehn, fünfzehn oder noch mehr”. Das schätzt der deutsche Mann im Gegensatz zu einem Tschechen, der das für selbstverständlich hält. Obwohl die Diskussionsteilnehmer bestätigten, dass die Meinung von der „unkomplizierteren tschechischen Frau“ weit verbreitet ist, war doch klar, dass sich die Gründe für das Funktionieren einer Beziehung keinesfalls so sehr vereinfachen lassen. Allenfalls einen etwas „stärkeren Nestbautrieb“ schrieb die Runde den Tschechinnen zu.
Am Ende der Diskussion wollte die Moderatorin noch zur eingangs gestellten Frage: Wo sind sie lieber Frau? eine kurze Antwort haben. Während Jaroslava Seidlmayer keinen Unterschied zwischen beiden Ländern machen wollte, sprachen sich die drei jüngeren Podiumsgäste eher für „in Tschechien“ aus, denn hier glänzen die Männer noch mit Tugenden, die einem Gentlemen älterer Schule sehr nahe kommen. Auch wenn, wie Bára Procházková anmerkte, kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen “Tür aufhalten” und “im Haushalt helfen” besteht.
Abschließend stellten die Damen auf dem Podium fest, dass es ein Glück sei in der heutigen Zeit zu leben: Wem die Situation im anderen Land besser gefällt, kann einfach die Grenze überqueren.