Landrat Volker Liedtke zum Start von bbkult.net am 14.05.03

Wir stellen heute ein kleines, aber wichtiges Stück europäischer Gemeinschaft vor. Ein modernes Stück größer werdendes und zusammenwachsendes Europa. Bayern und Böhmen blicken auf 1000 Jahre Gemeinsamkeit und nur 40 Jahre der schmerzlichen Trennung.
Vier Jahrzehnte freilich, die sich nicht mit einem Federstrich wegwischen lassen. Die kulturellen, wirtschaftlichen, persönlichen, aber auch politischen Fäden wieder zusammen zu knüpfen, ist keine Arbeit, die sich von selber macht. Die Beziehungen zwischen Bayern und Böhmen waren über Jahrhunderte nicht nur von Glas, Salz und der Schwirzerei, also dem Schmuggel, bestimmt.
Im Böhmerwald liegt auch die Wurzel einer gemeinsamen kulturellen Identität. “Aus Böhmen kommt die Musik” ist ein uralter Titel der Volksmusik. Viele Ortsnamen bis vor die Tore Regensburgs haben Namen slawischen Ursprungs. Aus der Gestaltung von Keramiken und Schmuckstücken hat die Archäologie den gemeinsamen Siedlungsraum im frühen Mittelalter bewiesen. Ist nicht das Bier nach Pilsner Brauart ein frühes joint venture zwischen einem ostbayerischen Braumeister und seinem böhmischen Arbeitgeber?
Die meisten von Ihnen werden heute an einer ganz besonderen Nepomuk-Statue vorbeigekommen sein. Die Figur, die am Ortseingang von Schönsee zugleich nach Osten und Westen blickt. Sie ist zu einem Symbol für das Zusammenwachsen von Bayern und Böhmen seit 1989 geworden. Und sie ist zum Symbol des Bayerisch-Böhmischen Kulturzentrums geworden. bbkult.net – Bavaria-Bohemia Kultur: Das beschreibt unsere Gemeinsamkeit in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Das net steht für den Weg unserer gemeinsamen kulturellen Identität in ein weltweitverfügbares Informationsnetz
Den größten Nutzen dieses neuen Internetportals haben die Kulturschaffenden, die Kulturvermittler und die Kulturinteressierten in den Bezirken Pilsen und Oberpfalz. Nie zuvor gab es so viele Informationen aus diesem Kulturraum so gebündelt mit einem Knopfdruck. bbkult.net ist Partner und Multiplikator für alle, die sich im Grenzraum und grenzüberschreitend engagieren. Die Datenbank ist aber kein geschlossenes System, sie lebt vielmehr von der Beteiligung aller.
Das heißt aber auch, dass die Arbeit mit der heutige Feierstunde nicht endet, sondern eigentlich erst beginnt. Der Startschuss heute soll auch zugleich ein erster Schritt zur Verwirklichung eines physisch begreifbaren, eines begehbaren Bayerisch-Böhmischen Kulturzentrums werden. Im ehemaligen Kommunbrauhaus hier am Ort, in dem wir nach diesem Festakt noch zum Feiern eingeladen sind, soll einmal – und möglichst bald – aktive grenzüberschreitende Kulturarbeit geleistet werden.
Stellvertretend für alle, die bis zur heutigen Freigabe, mit Ideen, Rat, Tat und Geld zum Gelingen von bbkult.net beigetragen haben, darf ich dem Bürgermeister Hans Eibauer zu diesem Werk gratulieren. Er ist in dieser Sache zu einem Grenzgänger geworden, so dass ich ihm heute fast gleichermaßen für die bayerische wie die tschechische Seite danken kann. Wir erleben heute einen kleinen Beitrag zur großen Idee eines vereinten Europa. Doch auch der Heilige Nepomuk blickt seit vielen Jahrhunderten am Beständigsten auf die Brücken, die aus vielen kleinen Steinen zu einem festen Ganzen geformt wurden.