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Veröffentlicht am 26. Juli 2019 GrenznahBlog

Architektur mit Wurzeln und Flügeln

Gespräch mit Peter Brückner

Herr Brückner, wenn man die Internetseiten eines Architekturbüros öffnet, erwartet man eine Schau realisierter Gebäude und ein Angebot der Zusammenarbeit. Auf Ihren Seiten läuft ein Film unter dem Titel Lebensräume, begleitet von Musik. Eine Menge Gefühle, wenig Infos. Warum präsentieren Sie sich auf diese Weise?
Wir sind emotionale Menschen. Uns haben immer die Emotionen bewegt. Mit der Architektur wollen wir Menschen berühren. Eine emotionslose Architektur ist für uns undenkbar. Darum beginnen wir unsere Internetseite mit einem Einblick in unsere Art zu denken. Die Filmmusik stammt von unserem Kollegen Lukas Neuner, der Architekt und zugleich Musiker ist. Er befragt ein Gebäude stets mit seinem Instrument. Der Film zeigt die Essenzen unseres Bauens.

Die Fotos Ihrer Realisierungen werden von Gedichten begleitet. Was ist das? Ein Beschwören oder andere Zaubereien?
Viele unserer Projekte beginnen, indem wir sie poetisch fassen. Jedes Projekt hat einen Namen. Es geht uns darum, tief zu graben, eben bis zur emotionalen Ebene. Wir glauben, dass wir auf diese Weise näher zur Seele und zur wahren Architektur gelangen.

Was ist eine wahre Architektur?
Eine Ehrliche, die Antwort gibt, was der Ort will und der Mensch in ihm.

Die meisten Menschen auf der Welt wohnen in irgendwelchen Hütten oder Plattenbauten. Wo findet man in solch einer Welt Platz für die wahre Architektur?
Früher wohnten die Menschen in Höhlen. Von dort begab sich der Mensch erst in Hütten, später in Häuser. Irgendwo hier kommt die Architektur ins Spiel. Auch Hütten sind sinnvolle Bauten, die der Mensch aus dem Bedürfnis heraus realisiert hat, um Schutz zu finden. Später entwickelten sich Orte mit spirituellem Charakter, die zu höheren Zwecken geschaffen wurden.

Die Menschen haben also schon seit sehr langer Zeit Bauten für praktische und spirituelle Zwecke geschaffen, fortwährend aus den Materialien, die man zur Hand hatte. Eine Selbstverständlichkeit, die man heute bei den sogenannten Naturvölkern sieht, denn sie können das lokale Material hervorragend und erfinderisch benutzen. Dort also fängt für mich die Architektur an. Die Architektur ohne Architekten, die eine ungeheure Kraft hat, weil sie sich über hunderte und tausende von Jahren entwickelt hat.

Der Architekt kommt ins Spiel als ein Mensch, der Lebensräume offeriert. Ich glaube, das ist der Punkt, wo man vieles „begreifen“ muss. Man muss sich folgende Frage stellen – was braucht dieser Raum wirklich? Was für ein Material benötigen wir wirklich? Was wird überdauern? Wir wollen keinesfalls ein Material tausend Mal rund um die Welt transportieren, wir wollen mit dem Material arbeiten, das man nah der Baustelle zur Verfügung hat. Wir wollen zu den wesentlichen Dingen zurückkommen.

Die Plattenbauten, nach denen Sie gefragt haben, sind aus der Notwendigkeit entstanden, sehr schnell viel Raum für viele Leute zu gewinnen. Dieser Weg war ganz pragmatisch und völlig legitim. Es ging dann nur noch um Quadratmeter im Verhältnis zu den Kosten. Das ist wenig. Unterwegs zur praktischen Lösung verlor man bei den Plattenbauten das, was Atmosphäre schafft. Die wirklichen Bedürfnisse der Leute sind sehr verschieden. Man kann also sagen, dass man unterwegs zur pragmatischen Lösung die Qualität verloren hat.

Es gab in der modernen Architektur Überlegungen, dass Leute eigentlich weniger Gefühle und Bedürfnisse haben, als man in der Architektur, wie Sie sie betreiben, annimmt. Bei Le Corbusier finden wir Reduktion und maximale Optimierung.
Ich habe das Gefühl, dass Sie im Respekt zu den menschlichen Gefühlen in eine gänzlich andere Richtung gehen, als man es bei Le Corbusier findet.

Es freut mich, dass Sie in unserer Architektur Respekt vor verschiedenen menschlichen Gefühlen und Bedürfnissen finden. Ich würde es aber nicht als Gegenrichtung zu dem bezeichnen, was die moderne Architektur vor allem der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts festgelegt hat. Die damalige Frage der Architekten lautete: Wie kann man die Qualität für die Menschen optimieren? Damals hat man sich Gedanken gemacht, was für einen Wohnraum Menschen brauchen. Le Corbusier hat auf diese Fragen radikal und hervorragend reagiert. Er sagte zum Beispiel, dass er das, was er unten wegnimmt, auf dem Dach zurückgeben wird. Seine den Raum betreffenden Antworten bildeten einen Baustein unserer gegenwärtigen Auffassung von Architektur. Le Corbusiers Arbeit war weit differenzierter und nahm viel mehr Rücksicht auf individuelle Anforderungen, als man heute vielleicht meint. Er hat viel mit Farbe gearbeitet, mit Oberflächen, er experimentierte mit grobem Beton, Putz, Holz und Glas. Doch die Geschichte der Architektur ist nicht kontinuierlich. Manchmal muss man zurückgehen und andere Erfahrungen mit Raum und Material nutzen, als es unsere Vorgänger getan haben. Le Corbusier war sich auch dessen bewusst, was sich in der Architektur lange, lange Jahre vor ihm abgespielt hat. Man kann es gut an seinen realisierten sakralen Bauten sehen. Ich glaube, dass die Perzeption Le Corbusiers als einer der Urheber der Plattenbauten dadurch verursacht wurde, dass seine Ideen in minderwertige Hände geraten sind. Aber das geschieht in anderen Bereichen auch, so zum Beispielin der Mode.

Qualität in der Architektur heißt nicht, dass der Bau teuer sein muss. In unserer Gestaltung bemühen wir uns, mit dem Geld der Leute, die uns ihr Vertrauen geben, gut umzugehen. Wir versuchen den Bauherren die Grundsätze zu erklären, die für uns beim konkreten Bau maßgebend sind, und die Richtung, in die wir uns begeben wollen. Gegenüber der Moderne, vor allem der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, heben wir den Ort hervor. Wir respektieren Traditionen. Die Moderne hat diese Grundsätze eingebüßt. Nach unserer Anschauungsweise ist das einer der Hauptverluste, die die Moderne mit sich gebracht hat. Die Architekten von damals haben oft Häuser ohne den Ort entworfen, Häuser, die überall stehen konnten. Es ging darum, die Dinge schnell herzustellen und Sorge zu tragen, dass sie gut funktionieren. Dabei geht aber die Identität verloren, nicht nur der Bauten, sondern auch der Menschen, es fehlt ein Baustein der Geschichte. Die Leute haben dann zu den Dingen keinen wirklichen Bezug.

Bei der Arbeit unseres Büros bemühen wir uns, die historische Bausubstanz am Ort zu berücksichtigen. Wir behaupten gerne, dass der nachhaltigste Zugang zu neu Entstehendem heißt, die schon existierenden Dinge zu nutzen. Besser geht es nicht. Wir bemühen uns, nach gegenwärtigen Bedürfnissen das zu transformieren, was es schon gibt, das Existierende in unsere Zeit hinüberzutragen. Bevor wir etwas abreißen, überlegen wir lange, ob das, was neu entstehen soll, wirklich besser ist als das, was zu weichen hat.

Nach unserem Prinzip muss das neu Entstehende mindestens genauso gut sein wie das, was vorher war. Möglicherweise besser. Der neue Bau muss zur Entwicklung des ganzen Ortes beitragen. Ich glaube, dass wir uns von anderen Ateliers in dem Akzent unterscheiden, den wir auf die Tradition des verwendeten Materials legen. Am gegebenen Ort wollen wir mit dem Material und dem haptischen Eindruck arbeiten, der den Leuten vertraut ist, und auch mit den klimatischen sowie Lichtund Kulturverhältnissen vor Ort. Allerorts ist es anders. Wir haben zum Beispiel einen Wettbewerb auf der Insel Teneriffa gewonnen, wo die Jury in ihrer Begründung geschrieben hat, dass unser Projekt sich am besten in die Lebensbedingungen auf der Insel eingefügt hat. Der Entwurf war sehr modern, doch er ging unter anderem um die Reflexion des Wohnens in den dortigen engen Gassen.

Jetzt ist eine gute Gelegenheit gekommen, glaube ich, Sie etwas Persönliches zu fragen. Sie sind in einer Ära aufgewachsen, wo man viel niedergerissen hat, die alten Sachen auf den Baustellen, wie Türen und Fenster, wurden weggeworfen und mit Massenprodukten ersetzt, die selten zu dem Haus nicht passten, es entstanden Fassaden, die vorher keiner gesehen hat. Man nannte das Modernisierung. Wie sind Sie zu Ihrer Philosophie gelangt? Oder trug zu dem all Ihr Vater bei, der Sie mit auf die Baustelle mitgenommen hat?
Wir sind davon beeinflusst, dass wir hier an der Grenze aufgewachsen sind. Unser Vater war ein Sudetendeutscher aus Mährisch Schönberg. Hierher, genauer ins Lager Wiesau und danach im nahen Falkenberg, kam er zum Kriegsende als sechsjähriger Junge. Er hat uns immer gesagt, dass er sich hier, in seiner zweiten Heimat, sofort wohl fühlte. Er hat in Regensburg die Bauschule als Bauingenieur abgeschlossen und machte sich selbstständig. Unsere Mutter stammte aus Bärnau, wuchs in Tirschenreuth auf. Der Vater hat viele Kirchensanierungen durchgeführt, sodass wir stets mit ihm irgendwo auf einer Baustelle waren. Ich muss sagen, dass mein Bruder und ich den Baustellengeruch nie vergessen haben. Es war dort für uns faszinierend und spannend. Es war aber zunächst nicht möglich, das gleiche zu tun, was unser Vater getan hat. Deshalb wollte ich mich zuerst mit der Kunst beschäftigen. Schließlich konnte ich mich aber doch nicht der Faszination der Architektur entziehen. Für meine persönliche Entwicklung war die Sehnsucht danach sehr wichtig, was auf der anderen Seite des nahen Eisernen Vorhangs geschieht. Der Vater hat selbstverständlich ein wenig über seine ursprüngliche Heimat erzählt, doch Mährisch Schönberg ist weiter weg, als das Land vor der Tür. Meine Großmutter wollte nie mehr dorthin, aber mein Vater hat relativ früh Reisen in die Tschechoslowakei unternommen. Ich bin seit meinem sechszehnten Geburtstag regelmäßig nach Prag gefahren, überhaupt in die Tschechoslowakei. Es waren mindestens einwöchige Reisen mit Freunden, je nachdem, wie es mit den Ferien passte. Wir sind in Schirnding eingestiegen, fuhren nach Prag, und von dort aus in verschiedene Richtungen weiter. Ein Teil meiner Freunde waren Musiker und hatten schon Kontakte zu Kollegen in Prag.

Man musste damals ein Visum beantragen. Wie wurden Sie als junge Leute behandelt?
Ein Visum musste man schriftlich beantragen und dem Antrag einen Reisepass beifügen. Der kam dann zurück, abgestempelt. Es war keineswegs kompliziert. Die Reise mit dem Zug war immer interessant. In Schirnding machte der Zug Paris-Prag halt. Er fuhr zweioder dreimal pro Woche, glaube ich, mit einem holzgetäfelten tschechischen Speisewagen. Den haben wir geliebt. Auf der Grenze hat es immer lange gedauert. Wir wollten von der anderen Seite zu unserer Grenze kommen, sodass wir immer nach Karlsbad oder Eger aufbrachen. Es war nicht ganz einfach, weil es damals eine dreißig Kilometer lange Schutzzone gab. Später fuhren wir mit dem Auto, was im Hinblick auf unsere Neugier ziemlich spannend war.

Die kommunistische Regierung in der Tschechoslowakei stürzte, als ich mit einer studentischen Exkursion in Prag war. Unser Professor wollte sofort zurückfahren, doch schließlich sind wir geblieben. Ich werde es nie vergessen.

Die Grenze war immer ein Thema unserer Arbeit. Wir haben gerade jetzt eine Gastprofessur, wo wir uns mit den Studierenden einigen architektonischen Entwürfen auf der deutschen und der tschechischen Seite widmen. Die Arbeit ist für unsere Studenten sehr interessant, weil sie sich nicht mit New York, Rio oder Tokio beschäftigen, wie es oft der Fall ist, sondern sie gelangen direkt in die Region, wo wir sie für einen Tag aussetzen und arbeiten lassen. Eines der Themen ist zum Beispiel die architektonische Intervention bei dem Egerschen Stausee. Unser Büro hat auch eine symbolische Realisation unserer Auseinandersetzung mit diesem Thema – den Begegnungsort an der Grenze bei Bärnau. Wir wollten die Grenze auf eine poetische Art neu interpretieren.

 

Wie haben Sie die Grenze wahrgenommen, nachdem sie nicht mehr so geheimnisvoll war und man auf die andere Seite durfte?
Wir sind damals zu Fuß gegangen, auch durch die untergegangenen Dörfer. Mitten im Wald, zwischen den hochgewachsenen Fichten, wächst ein Kirschbaum. Ein Bild und ein Sinnbild, das sich unauslöschlich in mein Gedächtnis gegraben hat. Die Natur ist für uns bei unserer Arbeit ein großes Vorbild, ohne jedwede Esoterik. Wir beobachten, wie die Dinge in der Natur aufgebaut und strukturiert sind, wie sie sich überschneiden, wie sie untergehen. Das Bild des Kirschbaums, der als einziger Zeuge sichtbar geblieben ist, wo einst ein Bauernhof stand, ist zum Thema des Untergehens sehr stark.

Die gegenwärtige Tendenz heißt, in die großen Städte wegzugehen. Die Städte werden immer dichter, sollen immer intelligenter sein, mit elektronischen Informationen aufgeladen. Die Region ist verlassen und so wird es weitergehen. Sind Sie nicht etwas antiquiert, wenn Sie die Leute wieder in den breiteren Raum und in historische Zusammenhänge bekommen wollen? Der Mensch wird momentan in ein Wesen entwickelt, das in einem kleinen Raum an seinem Computer hockt und dann in sein nebenstehendes Bett umfällt?
Sie berühren eine ganz und gar grundlegende Frage. Mein Diplom habe ich 1989 erhalten, als der Eiserne Vorhang gefallen ist, und ich mich entschieden habe, zurück nach Tirschenreuth zu gehen. Meine Freunde und Bekannte haben mir gesagt, dass ich verrückt sei. Man kann ja nach Berlin gehen, die Welt hat sich geöffnet, überall wird gebaut und geplant. Ich hatte viele Angebote – von der Schweiz bis Berlin. Trotzdem bin ich zurückgegangen und wollte wieder den Baustellengeruch der Region atmen.

Um zurückkommen zu können, muss man zuerst weggehen, alles aus anderer Perspektive sehen. Sechs Jahre waren mein Bruder und ich unabhängig von einander unterwegs, haben gelernt und Lehrund Wanderjahre erlebt. Ich wollte erproben, ob man aus der Region heraus Architektur machen kann. Die Antwort kannte ich nicht. Ich wusste nicht, wie die Zusammenarbeit mit dem Vater ausfällt. Heute ist eine Teamarbeit absolut nötig. Zu Vaters Zeit gab es das nicht; es war ein Chef in der Firma und irgendwo unter ihm waren die Angestellten. Ich setzte mir eine Fünf-Jahres-Frist. Während dieser Zeit wollte ich feststellen, was in diesem Ort und aus diesem Ort heraus möglich war. Ich habe mit meinem Vater zusammengearbeitet und schließlich konnten wir dafür eine gemeinsame Form finden. Im Jahre 1996 kam mein Bruder dazu. Wir haben angefangen darüber zu reden, wo wir anpacken wollen.

Ich habe mir gesagt, „Ja, ich gehe zurück.“ Dazu gehört Mut. Ich ging in eine Region, von der die Meinung überwog, dass sie architektonisch und für Architekten uninteressant sei. Ich bin aber überzeugt, dass sie eine Menge interessanter Dinge in sich hat und man von ihr stets lernen kann. Mehr als an anderen Orten. Wir haben die ersten Aufträge erhalten und sind vor allem auf Menschen gestoßen, die bereit waren, unseren Ideen zuzuhören. Auf Leute, die uns ihr Vertrauen gegeben haben, etwas Neues zu probieren.

Wir haben an vielen Wettbewerben teilgenommen. Einen Teil haben wir gewonnen. Ein wichtiges Beispiel ist der Kulturspeicher in Würzburg. Es handelte sich um ein großes Museumprojekt, meine erste gemeinsame Arbeit mit meinem Bruder. Wir haben diesen internationalen Wettbewerb mit mehr als hundertzwanzig Teilnehmern gewonnen. Als die Jury die anonym eingereichten Kuverts öffneten und feststellten, dass das Büro Brückner & Brückner aus Tirschenreuth gewann, fragten sie, wer das sei. Aber sie hatten den Mut, solch eine große Arbeit den jungen Architekten anzuvertrauen. Wir haben die Chance genutzt. Dann kamen das Granitmuseum in Hauzenberg oder das Centrum Bavaria Bohemia in Schönsee oder die Kirche in Wenzenbach. Auf einmal war klar, dass die Wege aus Tirschenreuth zwar länger sind, aber wir befinden uns mitten in Europa.

Auch ist uns das Interesse an der Grenze geblieben. Für uns sind Grenzen da, wo etwas beginnt. Es ist ein positiver Gedanke, nachdem wir zur Zeit des Eisernen Vorhangs die harte Grenze erlebt haben. Bis heute erinnere ich mich sogar an den Prager Frühling, da war ich noch ein kleiner Junge. Mein Vater hat damals in Weiden gearbeitet, kam schnell nach Hause und man spürte in der Luft die Befürchtung um die Zukunft. Heute haben wir die Gelegenheit ins Weite zu wirken und doch hier verankert zu sein. Die aktuellen, teilweise nationalistischen Entwicklungen in der globalen Politik machen uns Angst.

Wir erregen schon Neugier, Leute wollen wissen, wie ist es hier? Was treiben die beiden Brüder hier? Wir genießen es. Der Nordteil der Oberpfalz hat einerseits eine Rauheit in sich, aber auch Qualitäten, die wir schätzen und für die wir kämpfen. Wir haben versucht, Symposien mit den tschechischen Kollegen zu machen, doch stießen wir immer auf die Zentralisierung der Tschechischen Republik in Prag. Die Leute aus den guten Ateliers, die wir kennengelernt haben, sagten uns, dass man sich im Grenzland nicht als Architekt ernähren kann. Zwei gute Freunde und Lehrmeister von mir sind Tschechen, Professor Dr. Tomáš Valena lehrte in München und Professor Pavel Zvěĭina in Regensburg.

Ich möchte noch eine Weile bei der Frage der Stadt und des Landes bleiben. Die These, dass die Zukunft den klugen Städten gehört, wird für eine selbstverständliche Wahrheit gehalten …
Ich gebe ein Beispiel, das wir beobachten und versuchen, es mit unseren Mitarbeitern zu praktizieren. Wir haben in unserem Büro Kolleginnen und Kollegen aus verschiedensten Regionen, aus Bulgarien, Frankreich, Kasachstan, Polen, Tschechien, Slowenien oder Spanien. Insgesamt sind wir zweiundsechzig Leute, davon vierzig Architekten und Architektinnen, die Hälfte sind Frauen, die Hälfte Männer, verteilt zu gleichen Teilen auf Tirschenreuth und Würzburg. Wir entwerfen und bauen. Wir sind überzeugt, für die Gegenwart und für die Zukunft, dass man in den Regionen sehr anspruchsvoller Arbeit nachgehen kann. Die Leute kommen zu uns zurück, nach der Elternzeit oder nachdem sie für einige Zeit in die Stadt gegangen sind. Die digitalen Technologien ermöglichen in Teilbereichen heute eine Fernarbeit, auch die Struktur der Hochschulen ermöglicht es.

Nach den Statistiken bleiben mehr Absolventen in der Region, falls dort genug Hochschulen wirken. Es wird wohl nicht gelingen, die Tendenz des Weggehens in die Städte ganz umzukehren, doch man kann sie verlangsamen oder stoppen und den positiven Wandel in der Wahrnehmung der Regionen unterstützen. Die Leute schaffen sich in den Städten für horrende Summen scheinbare Lebensqualitäten an, die sie dann am Ende nicht einmal auszunutzen wissen. Man sagt, dass man in der Stadt zum Beispiel ins Theater gehen kann, doch glaube ich, dass ich mit meiner Familie öfter in Konzertenoder im Museum bin als die, die in größeren Städten leben. Die Rückkehr des Lebens ins Ländliche nehmen wir als Chance wahr. Die Natur und die digitalen Technologien. In unserem Büro können Mitarbeiter in Teilbereichen, dort, wo es eben möglich ist, Homeoffice nutzen. Wir unterstützen auch das Familienleben. Das alles ist heute möglich und es macht uns Freude.

Was bieten Sie an, ich meine jetzt eher als Denker, für neue Lebensräume? Was kann ein Architekt tun, damit zum Beispiel Menschen lieber zurück in die Region kommen?
Ich kann ein konkretes Beispiel geben, weil wir schon fünfzehn Jahre unsere Aufmerksamkeit der Entwicklung der Stadt Tirschenreuth widmen. Viele Leute, die hier aufgewachsen sind, auch meine Mitschüler, haben anderswo studiert und sind jetzt in aller Welt tätig. Wenn wir wollen, dass sie zurückkommen, müssen wir die Qualitäten hervorheben, die diese Region hat. Die Natur ist da, doch eine Kultur auf höherem Niveau muss schon ein Ergebnis des politischen Willens sein. Es gelingt uns, ein breites Angebot ist da, wie man in Schönsee sehen kann, wo die Kultur entlang der Grenze vermittelt wird.

Unsere Mitarbeiter fahren gemeinsam zu kulturellen Veranstaltungen oder sie bilden Gruppen und informieren sich gegenseitig über ihre Erlebnisse. Wir bemühen uns auch bereits in den Schulen. Informationen über die Vorteile unserer Region anzubieten. Wir wollen, dass die Kinder hier Wurzeln schlagen. Wichtig ist, dass man hier sein Auskommen findet, und daher ist es wichtig, die Fernarbeit und neue Technologien zu unterstützen. Es gibt Firmen, die die Leute aus unserer Region fernbeschäftigen, und es gibt sie immer mehr.

Wir haben auch bemerkt, dass die Beziehung zu Häusern eine große Rolle spielt, in denen noch die Eltern oder Großeltern wohnen. Hier entstehen für die Architekten konkrete Themen. Wie man zum Beispiel ein altes, großes Haus anpassen soll, damit ein Teil barrierefrei sein kann oder man etwa einen Teil vermieten könnte. Es kann auch eine Ferienwohnung für die Kinder entstehen, die dann vielleicht eines Tages zurückkommen.

Man kann hier mit hoher Lebensqualität wohnen. Immer öfter findet man hier neue hochmoderne Arbeitsplätze. Die Leute kommen auch nach zwanzig Jahren aktiver Arbeit in der Großstadt zurück in die Region. Die Architektur hängt mit der Identität zusammen, gerade für die Zurückkommenden ist das wichtig. Es genügt dann nur etwas Mut, hier erneut zu leben.

Für ein Identitätsgefühl war immer die Kirche wichtig. Nicht nur architektonisch gesehen präsentiert sich im Bau einer Kirche das höchste, was Leute erreichen können. Welche Rolle hat die Kirche heute? Sie haben einige Kirchen gebaut. Die Qualität des Lebens, die Sie erwähnt haben, ist ja nicht nur die Wohnung. Es ist auch der öffentliche Raum und selbstverständlich die lokale Dominante, in unserer Kultur, die Kirche. Und das Zusammenspiel des Ganzen. Es scheint mir, dass Tirschenreuth auf diesem Gebiet in den letzten Jahren sehr viel gemacht hat.
Die Stadt muss man als eine Wohnung auffassen. Als wir anfingen uns mit der Stadt Tirschenreuth zu beschäftigen, haben wir uns gesagt, dass wir das „Wohnzimmer“ aufräumen müssen und die

„Flure“ neu belichten. Es ging uns um den Marktplatz, den Raum, an dem Leute zusammentreffen. Damit sie sofort begreifen – hier bin ich im Wohnzimmer der Stadt Tirschenreuth, hier in der „Küche“, hier kann ich leben und arbeiten.

Die Kirche war immer das Zentrum der Gemeinde. Die hiesige Region haben die Klöster geformt. Sie ist undenkbar ohne Waldsassen oder Tepl. Uns geht es in unserer Arbeit darum, dass die Kirche als ein Kristallisationspunkt des öffentlichen Lebens wahrgenommen wird. Heute müssen die Kirchen und die Kirche offen sein. Unabhängig von der Konfession, die offene Tür der Kirche ist für uns das Grundbild schlechthin.

Die Sehnsucht nach Spiritualität ist immer ungebrochen. Man sieht es in vielen Bereichen, die Frage ist, wie diese Dinge nicht nur in der Architektur umzusetzen sind. Das Thema der Kirchweih ist in unserer Region ziemlich verankert, wir haben hier sogar eine Grenzland-Kirchweih. Die Kirche muss sich aber auch völlig neuen Themen öffnen.

Und Ihre Kirchen? Egal ob die neu aufgebauten oder die umgebauten?
Eine Kirche zu bauen ist für den Architekten die Königsdisziplin. Die Sehnsucht, eine Kirche zu bauen, haben wir immer gehabt. Unser Vater hat viele Kirchen saniert und umgebaut. Er hat uns gelehrt, die historischen Spuren in der Kirche zu lesen. Zehn Jahre haben wir beim Umbau des Klosters in Waldsassen mitgewirkt und konnten von Dientzenhofer die Arbeit mit Licht und Raum lernen. Es standen uns auch die alten Pläne zur Verfügung. Dann haben wir einige Wettbewerbe für den Bau von Kirchen gewonnen. Momentan arbeiten wir an fünf Kirchen, zwei davon sind Neubauten. Interessant war der Neubaueiner Kirche für die amerikanische Armee an ihrem Stützpunkt in Grafenwöhr. Die Amerikaner haben eine andere Auffassung von Kirche, und es war interessant, dass im neuen Kirchenraum Gottesdienste verschiedener Konfessionen stattfinden können. Die Sehnsucht nach „heiligem Raum“ war hier unsere Aufgabestellung. Das hat uns fasziniert. Ungemein interessant war wirklich die demokratische Diskussion darüber, wie der Raum aufgefasst werden soll. Aber das gilt nicht nur für die Kirche der Amerikaner.

 

Können Sie uns die Gespräche um solche heiligen Räume näherbringen?
Viele Jahre haben wir die Kirche St. Klara in Nürnberg umgestaltet und befreit. Es ist eine offene Kirche, um die sich die Jesuiten kümmern. Es gibt keine zugeordnete Gemeinde. Bei der Arbeit haben wir Pater Karl Kern kennengelernt, der Architekten suchte. Die Klarakirche hat ursprünglich zum Klarissenkloster gehört, wurde während des Krieges zerbombt und nach dem Krieg notdürftig hergerichtet. Pater Kern hat uns gesagt, dass er „Klarheit für Klara“ will.

Wir nahmen uns Zeit und haben uns Gedanken gemacht, was ich immer mehr als das Wichtigste sehe. Manche Dinge brauchen Zeit, und bei den kirchlichen Bauten gilt das doppelt. Bei profanen Bauten kalkulieren Investoren mit einer fünfzehnjährigen Perspektive, bei den Kirchen in einer hundertjährigen. Die Gespräche mit Pater Kern waren für uns ein Erlebnis. Ein hoch intellektuelles Nachdenken über einen heiligen Ort. Die Klarheit für Klara bedeutete am Ende, dass dort einige sehr einfache Räume entstanden, die wir nach verschiedenen liturgischen Anforderungen geplant haben. Pater Kern sagte uns, dass die Cityseelsorge die „Passantenspiritualität“ berücksichtigen muss, wie er es selbst genannt hat. Man zündet in der Kirche unter einem Bild oder einer Statue eine Kerze an, hält kurz inne und geht weiter. Die Klarakirche steht in Nürnberg mitten in der Fußgängerzone, es kommen tausende Passanten vorbei. Wir wollten, dass ein Raum diese Menschen aufnimmt, die Kirche an sich aber still bleibt. Wir haben eine Außentüre entworfen, die stets offensteht, auch am Abend. Dann spricht etwas Geheimnisvolles, ein aus dem Inneren hinausstrahlendes Licht. Die innere Tür ist zwar nicht transparent, doch sie lässt das Licht und den Schein der Kerzen durch. Ich komme hinein, in eine andere Welt – in einen Raum, der durch geschichtete Glasplatten und mit Graphit beschichtetes Holz abgegrenzt ist. Sodass man in diesem großen Vorraum stehen bleiben und sich sammeln kann. Von hier aus wird in einen ruhigen Raum getreten, wo sich einige

Kunstwerke höchster Qualität befinden. Im vorderen Teil dieses Raumes entstand eine Art Insel, wo nicht nur Messen gelesen, sondern auch Ausstellungen oder Filme gezeigt werden, oder getanzt werden kann. In diesem offenen Raum wird täglich auch ein Gottesdienst gehalten. Wir haben bei diesem Projekt gelernt, wie offen die Kirche sein kann und auf welchem intellektuellen und kulturellen Niveau man den heiligen Raum reflektieren kann. Das große Interesse an dieser Kirche gibt unserer Auffassung Recht.

Über Ihr Atelier ist gerade ein umfangreiches Buch erschienen. Es ist nicht traditionell arrangiert. Können Sie es für uns, bitte, kommentieren?
„Wurzeln und Flügel“ ist ein Resümee unserer Philosophie über das Bauen, die wir mit unserem Team entwickelt haben. Das Buch bietet keine Werkschau, eher eine poetische Auseinandersetzung mit unseren Projekten, wie und mit welchen Leuten sie entstanden sind. Wir sind zum Begriff der Essenz des Bauens gelangt. Das sind für uns Material, Raum, Ort und die Menschen.

Eine Auswahl davon, was wir gebaut haben, dient dann als Beispiel für die Weise, wie wir unsere Bauten realisiert haben. Als Verbindung nehmen wir Bilder, die uns das ganze Leben begleiten. Und gute Freunde, wie zum Beispiel den Kulturwissenschaftler Dr. Winfried Helm, der uns unter anderem auch bei musealen und szenographischen Projekten begleitet. Er stammt von hier, aus Waldsassen, und arbeitet in Passau. Man redete viele Jahre über die Heimat, heute wird dieser Begriff auf vielerlei Weise politisch benutzt …

 Ja, Sie sagen es. Sie haben für die Heimat schon auch ein Ministerium, das sagen soll, was Heimat, Vaterland oder Mutterland sind. Im Tschechischen haben wir kein so vergleichbar emotional aufgeladenes Äquivalent.
Die Heimat ist für uns ein mehrschichtiges Konstrukt der Dinge, die präsent sind. Sie hängen mit dem Ort zusammen, wo man herkommt und lebt, mit den Dingen, die einen umgeben, mit den Leuten, die mit einem leben. Alle diese Qualitäten anzunehmen, zu reflektieren und zu hinterfragen, das heißt für uns, sich mit der Heimat zu beschäftigen. Wir haben in das Buch Bilder der Orte aufgenommen, wo wir aufgewachsen sind, die auch nicht viele Leute kennen, Gespräche mit Leuten, die für uns auf unserem professionellen Weg viel bedeutet haben. Weitere Bilder sind aus unserer unterfränkischen Heimat Würzburg, wo mein Bruder mit seiner Familie lebt und unser zweiter Bürostandort beheimatet ist.

In dem Teil, der dem Material gewidmet ist, zeigen wir dann zum Beispiel, wie man mit Holz umgehen kann, wie es bearbeitet wird, wie sich Holz während der Zeit ändert. Aus diesen Bausteinen entstehen dann unsere Werke. Man findet hier zum Beispiel die Fotografie einer Brücke, die wir gebaut haben. Oder es interessiert uns die Natur, in die der Mensch eingegriffen hat. Zum Beispiel die Steinbrüche, die wir als Kinder und jetzt immer wieder besuchen, sind ganz unglaublich. Ein weiteres großes Thema ist das Handwerk. Man muss darum kämpfen, besonders heute. Dann gibt es Gedanken, die mit unserer Lösung des Würzburger Kulturspeichers zusammenhängen – das bestehende Gebäude und unsere Ergänzung zu ihm. Oder unser Granitmuseum, wo wir die übrig gebliebenen Krustenplatten verwendet haben.

Es ist wichtig die Dinge neu zu verbinden, die man kennt. Das Material den richtigen Handwerkern zu geben und neue Beziehungen zu schaffen.

Wer schreibt die Texte/Gedichte, die Ihre Bauten reflektieren? Wir haben über sie am Anfang des Gesprächs geredet, und sie klingen auch in Ihrem Buch an. Entstehen sie zuvor, während der Bauarbeiten, oder danach?
Ein Teil dieser Texte entsteht im Zuge von Wettbewerben. Wir haben keine Erläuterungstexte geschrieben, wir wollten eine weitere, sinnliche Ebene erschließen. Andere Texte entstehen wirklich während des Bauens, da wir in ihnen erfassen wollen, was geschieht. Viele sind als eine Art abschließendes Dokument entstanden und wurden als inhaltliche Vorbereitung der Rede zur Bauübergabe benutzt. Die Texte schreibe ich mit meinem Bruder, und unser Team unterstützt uns dabei.

Sind sie konservativ?
Ich glaube, ja und nein. Wir sagen, dass Innovation aus der Tradition entsteht. Damit man vorankommt, muss man von Beidem was nehmen. Wenn man nämlich eine Sache sehr progressiv angeht, muss man dann auch einen Rückblick wagen – das ist unsere Erkenntnis. Sehr traditionell sind wir in der Art, wie wir unsere Dinge realisieren.

Sie haben Ihre Zusammenarbeit mit den Kulturwissenschaftlern erwähnt. Mit welchen weiteren Branchen muss ein großes Architekturbüro zusammenarbeiten?
Die Kulturwissenschaftler bringen uns wichtige Ideen. Sie begleiten uns auf dem Wege zu den architektonischen Ideen. In unserem Freundeskreis haben wir auch Künstler, die uns beim Entstehen der Projekte unterstützen. Bei Planungen, wie etwa bei einer Stadtentwicklung, arbeiten wir mit den Wirtschaftsgeographen zusammen. Weiterhin brauchen wir Graphiker, Spezialisten für Medien, Historiker. Bei größeren Projekten müssen wir einfach immer ein neues Team aufstellen. Wenn es etwa um ein Museum geht, binden wir auch Historiker mit ein.

Hätten Sie heute als junge Architekten überhaupt eine Chance? Solch eine Teamarbeit kann sich ja kein Anfänger leisten.
Es wird immer schwieriger, sich als Anfänger durchzusetzen. Wir als junge Architekten haben die Chance bekommen, und wenn wir heute in irgendeiner Jury sitzen, bemühen wir uns, den jungen Architekten auch ihre Chance zu geben und sie zu unterstützen. Die heutigen Wettbewerbe sind aber sehr komplex, man muss viele Dinge vorher gelöst haben, und es gibt immer mehr Vorschriften auf Bundesund EU-Ebene. Wahrhaftig, es wird für junge Architekten heute immer komplizierter.

Arbeiten für Tirschenreuth

In Tirschenreuth haben die Bürger abgestimmt, ob sie den Umbau des Marktplatzes überhaupt wollen. Sie arbeiten schon sehr lange für die Stadt. Können Sie bitte beschreiben, wie solch eine langfristige Zusammenarbeit eines Architekturbüros und der Stadt aussieht? Es musste ja für Sie ein Risiko sein, zu Hause zu arbeiten. Schon aus der Bibel wissen wir, dass der Prophet im eigenen Land nichts gilt.
Es war wirklich eine schwere Entscheidung. Die Initiative kam von der Stadt. Sie hat uns angesprochen. Es war zu der Zeit, wo wir gerade den Kulturspeicher in Würzburg gebaut haben. Auch in anderen Regionen waren wir schon erfolgreich. Wir wollen uns nicht vorwerfen lassen, dass wir es in Tirschenreuth nicht versucht haben.

Wir haben gesagt, dass wir uns dem Marktplatz und der Stadtentwicklung Tirschenreuth widmen werden. Gemeinsam mit der Stadt, mit all ihren Stadträten und der Verwaltung. Absichtlich haben wir auch Architekten aus unserem Würzburger Büro hinzugezogen, die Tirschenreuth mit externem Blick analysierten. Wir haben unsere Kenntnisse über die Stadt, die ihre Wurzeln in unserer Kindheit haben, doppelt hinterfragt. Dank einer langen und eingehenden Vorbereitung ist ein sehr robustes und tragfähiges Konzept der Stadtentwicklung entstanden. Parallel zum Konzept der Stadtentwicklung haben wir Impulsprojekte ausgearbeitet. Mit dem Marktplatz sollte die Arbeit beginnen.

Es kam ein Widerstand der „reaktionären Kräfte“. Sie waren scheinbare Bewahrer und Beschützer von Dingen, die eigentlich nie so waren, wie sie behaupteten. Es war für uns ein inhaltliches Thema, denen eine zeitgemäße Antwort entgegenzuhalten. Die politischen Vertreterwaren nahezu vollständig auf unserer Seite. Im Stadtrat gab es aber zwei Mitglieder, die das Thema der Neugestaltung des Marktplatzes durch einen Bürgerentscheid kippen wollten. Es gab damals gegen uns starke persönliche Angriffe, die auch auf meine Familie, die Familie des Bürgermeisters, einige Stadträte und andere mutige Bürger Auswirkung hatten. Es war nicht einfach und wir fragten uns manchmal, ob es wirklich richtig war, sich in dieser Art und Weise in Tirschenreuth zu engagieren.

Doch wir waren von unserer Sache überzeugt. Wir haben keine Kompromisse angenommen und sagten, es gibt nur bessere Lösungen, und zwar die von uns über zwei Jahre vorbereitete Arbeit zu realisieren. Wir bekamen auch maximale Unterstützung von der Regensburger Regierung, die konstatierte, dass es sich um ein tragfähiges Konzept handelt, das Beispiel sein kann und als Modell für andere Städte dienen wird. Die hinter uns stehenden Politiker haben alles getan, um unser Konzept so gut wie möglich ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken. Beim Bürgerentscheid gibt es aber immer das Problem, dass die Gegner sich mobilisieren und alle zur Abstimmung kommen, wohingegen die, die mit der Änderung einverstanden sind, glauben, es wird schon irgendwie gehen. Und dann wundern sie sich, dass es anders ausgefallen ist, wie es auch beim Brexit in England der Fall war.

Der Bürgerentscheid fand in einer sehr kalten Jahreszeit statt. Wir haben einen Film mit Profis gedreht, wo wir die Vision vorgestellt haben, wie sich der Marktplatz und die Stadt ändern sollen. Ein Zelt auf dem Platz wurde aufgebaut.

Dort zeigten wir die Pläne und den Film. Den ganzen Tag stand da jemand von den Stadträten, vom Stadtbauamt und von unserem Büro zur Verfügung. Wir haben die Passanten angesprochen und baten sie, sich den Film anzuschauen. In kürzester Zeit ist es uns gelungen, die Information zu vermitteln. Das hat dazu geführt, dass wir den Bürgerentscheid mit fast sechzigprozentiger Mehrheit gewonnen haben.

Und falls Sie verloren hätten?
Eine Niederlage hätte Zweifel in unsere Grundphilosophie hineingebracht. Wurzeln und Flügel, das sind die drei Worte, die sie auf der hinteren Seite des Umschlags unseres Buches finden.

Wir waren felsenfest überzeugt, dass es gut ist, aber das durchzusetzen hat uns viel Energie gekostet. Sowas kann man nicht ständig tun.

Im Rückblick kann man sagen, dass das Gefühl, wirklich angekommen zu sein, hat uns zwanzig Jahre intensiver Arbeit gekostet. Dabei hatten wir noch Glück, dass wir auf solch eine Persönlichkeit gestoßen sind, wie sie unser Bürgermeister Franz Stahl ist. Ihm gelingt es parteiübergreifend mit den Stadträten positive Stadtentwicklung zum Wohle der Bürger anzustoßen und umzusetzen. Wir finden hier die Tirschenreuther Antworten auf die Herausforderungen der Gegenwart. Das ist etwas Einmaliges.

Der Erfolg in dem Bürgerentscheid hat zu einer klaren Unterstützung der Bevölkerung geführt. Plötzlich waren die Leute stolz darauf, was hier passiert ist und weiter passieren soll. Es entstand ein Selbstbewusstsein, das sagt: „Wir haben den Mut und wir werden weitermachen.“

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