Mir würde es leid tun, mein Leben mit etwas zu vertrödeln, was ich nicht gern mache
Gespräch mit Petr Pilný
Herr Pilný, normalerweise frage ich meine Interviewpartner, wie sie nach Plan gekommen sind. Sie sagen von sich, Sie seien ein Einheimischer…
Ja, ich bin gebürtiger Planer. Mein Großvater kam 1945 von einer Einöde bei Weipernitz (Vejprnice) hierher. Mein Vater ist noch dort geboren, das war 1943. Und ich bin direkt hier geboren. Weil Weipernitz nicht weit weg ist, würde ich behaupten, dass meine Familie auch hier ihre Wurzeln hat.
Die Einöde, auf der mein Großvater lebte, haben sie verlassen und im Rahmen der Aufsiedlung der Grenzregion wurde ihnen zum Ausgleich für das ehemalige Heim ein Haus in Plan (Planá) zugeteilt, für das sie noch eine Zuzahlung leisten mussten. Sie sind den ursprünglichen Eigentümern noch begegnet und haben sich gut mit ihnen verstanden. Ich kann mich erinnern, wie sie einmal in den siebziger Jahren zu Besuch kamen, ohne jegliche Feindseligkeit, offensichtlich nur um in Erinnerungen zu schwelgen. Mein Großvater hatte nach dem Krieg zusammen mit seinem Vater eine große Gärtnerei aufgebaut. Sie hatten schon damals Gewächshäuser und Treibhäuser aus genörpeltem Glas, einen eigenen Brunnen mit Wasserleitungen auf dem ganzen Grundstück. Sie haben hart gearbeitet und waren auch tüchtige Geschäftsleute. Einem Hotel in Marienbad (Mariánské Lázně) haben sie Paprika und Tomaten geliefert – in der Zeit war das Angebot hierzulande nicht so groß. Nach 1948 haben sie meinem Großvater alles weggenommen, sogar das Werkzeug. Er ist dann als Bergmann in den Uranabbau gegangen. Aus dem Gärtner wurde ein Bergmann. Er war tüchtig, hat immer ordentlich gearbeitet und in den Stollen haben sie gut gezahlt. Er musste vier Kinder ernähren, die alle die Mittelschule besucht und eine gute Beschäftigung gefunden haben. Mein Großvater war linksgerichtet, aber nach den Erfahrungen, die er machen musste, hielt er nicht viel von den Kommunisten.
Mein Vater war ein begeisterter Sportler. Er hat noch das Gymnasium in Plan besucht. Danach wollte er an der Fakultät für Sportwissenschaften studieren. Allerdings hat er aufgrund der schlechten Beziehung seines Vaters zu den Kommunisten trotz hervorragender Schulleistungen keinen Platz bekommen, angeblich wegen der hohen „Bewerberzahl“. Er ist dann auf die Baufachschule nach Kaaden an der Eger (Kadaň) gegangen. Seit dem ist er im Bauwesen tätig.
Meine Mutter stammt aus der Gegend um Iglau (Jihlava), aus Herrenried bei Pirnitz (Panská Lhota u Brtnice). Ihr Großvater war Russe. Deshalb sage ich immer, mit einer deutschen Uroma und einem russischen Uropa bin ich ein echter Tscheche. Der Vater meiner Mutter war ursprünglich Schmied, hat dann aber die Forsthochschule in Brünn (Brno) absolviert und wurde in der Region Tepl (Teplá) eingesetzt. Den Direktorenposten hat er nach Zerwürfnissen mit den kommunistischen Funktionären verlassen, die mit dem Kübelwagen durch den Wald gefahren sind und Hirche geschossen haben.. Danach ist er durch die ganze Republik gereist und suchte Resonanzholz aus. Und aus Tepl mussten sie dann nach Plan ziehen. Meine Mutter besuchte die Pädagogische Schule in Karlsbad (Karlovy Vary) und unterrichtet dann an der Grundschule in Plan.
Haben Sie eine spezielle Kindheitserinnerung?
Ja, beispielsweise eine komisch-politische. Ich kam aus dem Kindergarten und habe meinem Cousin erzählt, der etwas älter war als ich, dass sie uns von Wladimir Iljitsch Lenin erzählt haben, was für ein toller Typ er sei. Was er alles wisse und dass es hier nur dank ihm so wunderschön sei. Ich sagte ihm: „Ich werde den Lenin mal genauso gern haben wie den Opa.“ Er schaute mich so komisch an, ich war noch nicht mal fünf, er knapp sechs, und sagte: „Du bist ja komplett verrückt geworden“. Schon solch kleinen Kindern haben manche Genossinnen das Bewusstsein verbogen.
Der Westen war nicht weit, man konnte hier drei deutsche Fernsehprogramme empfangen, wie haben Sie dieses so nah gelegene Land empfunden?
Als einen Ort, den wir nie sehen werden. Wir haben von einem Hügel über Plan hinübergeschaut und damit gerechnet, dass wir dort nie hinkommen. Der Westen war ein Land aus dem Märchen. Mein Vater hatte einen Cousin in Deutschland, der ein-, zweimal Jeans geschickt hat. Wenn in einem geschmuggelten Paket die Bravo kam, haben wir gewusst, dass wir die Musikgruppen darin niemals live hören werden.
Wie alt waren Sie, als die Grenz geöffnet wurde? Wie haben Sie die Zeit unmittelbar vor dem Fall des Eisernen Vorhangs erlebt?
Einundzwanzig. Für meine Generation kam die Hoffnung mir Gorbatschow. Es gab einen Funken Hoffnung, dass sich der Koloss auflöst. Im Jahr 1989 bin ich frisch vom Armeedienst zurückgekommen. Ich habe zwei Jahr in Leitmeritz (Litoměĭice) gedient, bei der Pioniertruppe. Ich habe Offiziere gesehen, die den Ostblock aufrechterhalten sollten. Mir kam es so vor, dass wenn man einmal geschnippt hätte, wäre das Ganze wie ein Kartenhaus zusammengefallen. Das war alles so absurd. Eine Brigade von 1500 Mann, ein paar Mittelschüler, ein paar Hochschüler. Das dauerte doch auch so schon eineinhalb Monate, bis die Mittelschüler und Hochschüler von ihren Vorgängern den Ablauf in den Kasernen lernten. Dann hing das ein Jahr, oder im Falle der Mittelschüler zwei Jahre, an diesen Leuten. Die Offiziere haben den Papierkram erledigt, Tätigkeit vorgetäuscht und hauptsächlich getrunken. Sie haben den Anschein aufrecht erhalten. Zum Beispiel bei der Winterumrüstung: Die Technik sollte von Sommerbetrieb auf Winterbetrieb umgerüstet werden. Die Autos wurden mit Schlamm eingestrichen, der auf ihnen gefror, die Autoreifen mit Schuhcreme geschwärzt. Und die Umrüstung war fertig. Ich hatte die kumulierte Funktion „Kino, Radiomechaniker“, die Bedienung des fahrbaren Klubs, Brigadedrucker, Vorführer (Weitwinkelkino 35 mm für 500 Leute), Brigadefotograf und Drucksachenverteiler. Ursprünglich haben das drei Leute gemacht. Als Brigadefotograf hat mich der Stabsführer einmal mit dem Auto und persönlichem Fahrer mit nach Millowitz (Milovice) genommen, um den Übungsplatz zu fotografieren. Dort war eine große russische Besatzung. Der Besuch bestand darin, dass sich mein Stabsführer mit dem russischen Chef in den Beobachtungsraum zurückzog und ein Soldat ihnen eine Flasche Wodka nach der anderen brachte. Ich habe ungefähr sechs Fotos gemacht. Das „Fotografieren“ dauerte den ganzen Tag und am Ende des Tages torkelten die beiden heraus und wir fuhren zurück. Es war ganz offensichtlich, dass diese Truppe Schmarotzer den Sozialismus bestimmt nicht rettet, und eigentlich auch nicht retten will.
Ich bin auf die Position des Meisters in den landwirtschaftlichen Baubetrieb in Plan zurückgekehrt, von wo aus ich zwei Jahre zuvor zum Wehrdienst eingezogen worden war. Ich hatte dort seit 1986 gearbeitet. Nach dem Abitur an der Bauindustriemittelschule in Pilsen (Plzeň) war ich voller Ideale… Alle Mauerer waren doppelt so alt wie ich. Und verdienten dreimal so viel. Aber ich konnte mit Leuten umgehen, wenn auch nicht mit allen, es gab ein paar, die den ganzen Tag im Baucontainer saßen und tranken, am nächsten Tag kamen sie dann nicht zur Arbeit. Also hab ich auf dem Lohnachweis geschrieben, dass derjenige unentschuldigt nicht auf Arbeit erschienen ist und habe vorgeschlagen, ihm die Prämie zu streichen. Als ich dem Bauleiter die Papiere gab, sagte er: „Das kannst du nicht machen, der Bummelant wird ein Urteil über dich schreiben, das ist der örtliche stellvertretende Vorsitzende der Kommunistischen Partei. Ich habe auf mein Vorgehen bestanden und dann hat mein Vorgesetzter selbst die Lohnzettel geschrieben. Aber ich habe etwas zu weit ausgeholt. Vor dem Armeedienst habe ich begonnen, hier eine Kläranlage zu bauen und als ich zurückkam, wollte ich sie fertig bauen. Meine Frau war noch an der Hochschule. Im November 1989 ist sie mit anderen Studenten in Fabriken gefahren um die aktuelle Situation zu erklären und über die totalitären Praktiken der kommunistischen Parteiführung zu informieren. Hier in Plan hat sich die Kampftruppe vorbereitet, um ebenfalls nach Prag zu fahren und wiederrum den Studenten mal was zu erklären. Wir haben darüber nachgedacht auch nach Prag zu fahren um unsere Mädels zu beschützen. Auf Arbeit trug ich die Trikolore an der Wattejacke und auf dem Stadtplatz habe ich wie einer von vielen versucht den anderen klar zu machen, dass es die Studenten in Prag allein nicht schaffen, das für uns alle zu erkämpfen. Am Ende ist zum Glück alles gut ausgegangen.
Die neunziger Jahre werden rückblickend als recht wild bezeichnet…
Es wurde privatisiert. Mein Vater war vorher Produktionsleiter in einem Betrieb mit 800 Angestellten, und ging dann als Maurer nach Deutschland. Damit er endlich ordentlich verdient, vorher ist er sein ganzes Leben lang nach der Arbeit noch pfuschen gegangen. Ich ging zu einem Privatunternehmer in eine Heiztechnikfirma, wo sie neue, computerbetriebene Heizkessel hatten. Ich musste nach Deutschland zur Weiterbildung, auf Deutsch, was ich nicht konnte, aber auch das ging irgendwie. Dann habe ich geheiratet, ein Haus gebaut. Die Heizungsfirma habe ich nach ungefähr zwei Jahren verlassen. Aus der kleinen Firma, wo außer dem Eigentümer noch zwei Angestellte und ein Techniker arbeiteten, war ein Betrieb mit 35 Leuten geworden. Die Umsätze waren um das Hundertfache gestiegen. Aber ich war immer noch der einzige Techniker, das war nicht zu schaffen, obwohl ich noch jung war. Ich bin also zurück in die Baubranche gegangen, zu einer Firma mit ca. 100 Leuten. Der Eigentümer hat den Winter über eine Filiale in Australien gegründet und das gesamte aktive Vermögen ging dorthin. Als wir im Februar in die Arbeit kamen, waren nicht einmal die Papiere mit den Anrechnungszeiträumen für die Rente auffindbar, die belegten, dass wir überhaupt jemals in der Firma gearbeitet hatten. Der Eigentümer schickte uns eine Postkarte, auf der uns viel Gesundheit wünschte. Nach dem Regimewechsel waren die Gesetzesänderungen einfach nicht schnell genug. Es sind einige Fehler passiert, die hätten vermieden werden können. Aber die größte Schwäche war die Moral der Menschen. Wenn ein ehemaliger politischer Gefangener nicht einmal ein Drittel dessen an Rente bekommt, was derjenige erhält, der ihn eingesperrt hat, dann ist etwas nicht richtig. Man zeigt den Leuten damit, dass es nicht schlimm war, wenn so eine Schweinerei passierte. Und das ist absolut falsch.
Nach den Erfahrungen mit dem Kommunismus und dem Kapitalismus in seiner wildesten Form sind Sie also schließlich Kunsttischler mit einer Werkstatt im eigenen Garten geworden?
Mit der Tischlerei habe ich mich lange Zeit immer nur nach der Arbeit beschäftigt. Nachdem ich einen Menschen getroffen hatte, der seine eigene Firma untergraben hatte, beschloss ich, für niemanden mehr als Angestellter zu arbeiten. Innerhalb eines Monats habe ich zusammen mit meinem Vater die Hälfte der jetzigen Werkstatt gebaut. Dann habe ich fünf Jahre lang vierzehn bis sechszehn Stunden täglich gearbeitet, auch samstags und sonntags. Ich musste die Werkstatt und die Maschinen abbezahlen, dazu waren die Kinder klein, meine Frau im Mutterschaftsurlaub. Ich weiß nicht, ob ich heute noch den Mut dazu hätte. Wenn ich so zurückblicke, muss ich sagen, dass ich damals noch nicht einmal besonders viel konnte. Allmählich habe ich angefangen, mich älteren Sachen zu widmen, an denen lernt man am meisten. Wenn Sie ein altes Stück auseinandernehmen, sehen Sie, wie es gemacht wurde. Dann müssen Sie herausfinden, womit das gemacht wurde, ob man das nicht schneller machen könnte, ohne dass die Qualität darunter leidet. Neben der Arbeit fuhr ich damals nach Prag (Praha) und lernte Kunsttischler, mit Spezialisierung auf Restaurierungen. In Brennporitschen (Spalené Poĭíčí) besuchte ich einen Meister, der zwanzig Jahre lang als Restaurator auf dem Schloss Kozel gearbeitet hatte. Der hat mir am meisten beigebracht. Ich bin jetzt 25 Jahre Tischler und heute restauriere ich überwiegend Elemente aus dem Bereich der Bautischlerei an Denkmälern oder historische Möbel.
Wo andere mit der Schleifmaschine oder Laugen arbeiten, nehmen Sie das Schabmesser. So sieht es jedenfalls bei Ihnen aus. Wie wird aus einem Bauarbeiter ein Tischler? Sie hatten doch schon Erfahrung auf Ihrem Gebiet?
Am meisten lernt der Mensch von den alten, kaputten Sachen, die einem in die Finger kommen. Ab den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts und älter. Das älteste Stück, das ich hier hatte, stammte aus dem 15. Jahrhundert. Man kann daran verschiedene Techniken beobachten. Sie müssen sich vorstellen, was für Möglichkeiten es in dieser Zeit gab und daraus ableiten, wie das Stück angefertigt wurde. Die Fortschrittlichkeit der Technologien unterscheidet sich je nach Herstellungsort. Wenn Sie einen geschickten Schmied in der Nähe hatten, der ihnen die Hobel richtig bearbeitet hat, konnten die Tischler wiederum gut damit arbeiten. Wenn der Schmied ihnen die Feinsäge so gemacht hat, dass sie sich nicht wellte und genau sägte, war das Ergebnis toll. Nehmen Sie einen Stuhl aus dem 19. Jahrhundert in die Hand und schauen Sie, wo er geplatzt ist. Da stellen Sie fest, dass Ihr Vorgänger an einer Stelle mit dem Beitel zu tief gegangen ist. Jedes Stück hat eine andere Geschichte. Manchmal kommt es vor, dass ich drei Tage um ein Stück herumschleiche. Ich schaue es mir immer einen Moment an, mache zwischendurch etwas anderes. Langsam fange ich an zu verstehen, wie das Stück gemacht ist. Dann sehe ich in der Literatur nach, im Internet, frage jemanden. Es ist interessant, dass die meisten Handwerker, die Restaurierungen durchführen, ihre Erfahrungen gerne weitergeben. Sie machen das nicht für Geld, weil man so eine Arbeit nicht für Geld machen kann. Die Zeit, die Sie da reinstecken, bezahlt Ihnen niemand. Aber das Leben ist nicht so lang, dass man es mit Tätigkeiten verbringen könnte, die einem nichts zurückgeben. Ein Drittel seines Lebens arbeitet der Mensch. Ich noch mehr. Mir würde es leid tun, mein Leben mit etwas zu vertrödeln, was ich nicht gern mache, was keinen Sinn hat.
Welche Stücke, welche Aufträge sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Einen der ersten größeren Aufträge zum Beispiel hatte ich in der Marienbader Kirche Mariä Himmelfahrt. Ich habe das Portal, die Seitentüren zum Turm und in die Sakristei restauriert. Das war eine sehr interessante Arbeit. Allein schon deshalb, weil ich dort zum ersten Mal Dr. Drncová vom Denkmalschutzamt begegnet bin. Das ist ein besonderer Mensch und eine sehr gebildete Fachfrau. Sie vertritt fest grundlegende Prinzipien, besteht aber nicht auf unsinnige Kleinigkeiten. Solche Menschen gibt es auf dem Gebiet nur wenige. Das Portal ist riesig, ca. acht Zentimeter dicke Eiche, ein Flügel ist 120 Zentimeter breit und ca. 2,6 Meter hoch. Darüber ist ein weiterer Flügel, ungefähr 180 Zentimeter. Ich habe die Kirchentür selbst ausgebaut, abtransportiert, hier habe ich sie dann überarbeitet und dann zurückgebracht. Ich weiß nicht, ob ich das heute noch schaffen würde. Interessant war auch das Missionskreuz für den Ort Tuschkau Stadt (Město Touškov). Sie haben mir das alte Kreuz gebracht und ich sollte eine genaue Replik anfertigen, es war fast so groß wie meine damalige Werkstatt. Die Schmuckränder habe ich in Handarbeit gefertigt, mit dem Bei- tel. Das Kreuz war ca. sechs Meter hoch. Sie haben es zusammen mit dem Original auf einem Škoda Felicia Pick-Up abgeholt. Das Auto hing hinten bis auf den Boden durch und es flogen Funken, wie man es aus Filmen kennt, als sie losgefahren sind, aber sie sind heil in Tuschkau angekommen. Schön war auch die Arbeit für die Kirche Mariä Himmelfahrt in Plan (Planá). Dort habe ich alle Fenster restauriert, auch ein ovales über der Sakristei konnten wir retten, eine Tür aus dem 19. Jahrhundert und einige neuzeitlichere wurden durch Repliken mit geschmiedeten Beschlägen ersetzt. Aus professioneller Sicht war die Tür zur Sakristei für mich die interessanteste, weil sie die älteste war. Sie war aus Lärchenholz, mindestens zweihundert Jahre alt. Zwei mit einem Riegel zusammengesetzte Bohlen, die sich nicht verbiegen, dazu ein paar geschmiedete Stifte. Außerdem ein großes Kastenschloss, nahezu nicht kaputt zu bekommen, wenn die Feder defekt war, hat man sie ausgetauscht. Die Tür hält noch weitere hundert Jahre. Oder einmal hat sich ein Mann aus Falkenau (Sokolov) an mich gewandt. Er hatte eine komplette Wohn-und Esszimmereinrichtung aus Eiche. Auf den Stühlen stand Spandau 1905, also waren sie aus Berlin. Vier Stühle gehörten dazu, nicht einer hat geknarrt, nur der Lack war ab und die Polster durchgesessen. Der Kunde wollte vier Repliken anfertigen lassen. Da musste ich sehr viel nachdenken, wie ich vorgehen soll. Nicht eine Fläche war gerade. Alles war mit Zapfen verbunden, die handwerkliche Ausführung war präzise. Ich hatte auch mal eine schöne Kommode, bei der eine einen halben Zentimeter starke Inkrustation eingelegt war. Auf der Unterseite der Schublade stand, dass sie ein Herr Beran aus Pilsen (Plzeň) repariert hat, im Februar 1939. Ich habe mich gefragt, ob er wusste, was ihn erwartet. Wenn man zu den rechtschaffenden Handwerkern gehören will, muss man sich gut überlegen, wie man was macht, man knüpft in gewisser Weise an etwas an. Die heutige Arbeitsweise (ich nenne sie chinesisch) ist – wer den anderen am besten beikommt, gewinnt. Ich halte davon nichts.
Wir haben im Urlaub einmal die Schwarzenber-Gruft bei Wittingau (Tĭeboň) besucht. Der Touristenführer zeigte uns die verzierten Bänke, bei denen der Holzschnitzer sogar die Innenseiten mit einem sehr komplizierten Schnitzmuster versehen hat. Als sie ihn fragten warum er sich damit so viel Arbeit macht, wenn das doch eh niemand sieht, sagte er – Aber irgendjemand wird es sehen. Mehr nicht.
Was machen Sie in Ihrer Freizeit, außer Akkordeon spielen?
Ich bin Angler, Fliegenfischer. Forellen, Äschen. Aber ich habe auch von klein auf zusammen mit meinem Vater Fische gezüchtet. Die Larve schlüpft im Brutkasten, dann muss sie gefüttert werden. Zweimal am Tag bin ich als Junge Flöhe holen gegangen, habe die abgestorbenen Larven abgesaugt, damit sich die anderen nicht anstecken. Dann haben wir die Fische in den Teich hinter dem Freibad ausgesetzt. Am Anfang haben wir noch zugefüttert. Später haben wir sie wieder abgefangen und ins Revier gebracht. Ich habe kein Problem damit, Forellen zu essen, weil bei der Menge an Forellen, die ich mit meinem Vater aufgezogen habe, so viel kann meine Familie gar nicht essen.
Zum Akkordeon bin ich erst mit über vierzig zurückgekehrt und mache bis heute Musik. Ich bin auch Mitglied des KOS, des Kulturvereins, Es gibt hier Vereine, die etwas für andere machen wollen. Es gibt die Adoption kleiner Denkmäler, wir veranstalten verschiedenste Aktionen, z.B. ein dreitägiges Festival, es gab Bälle, wir haben dem wiederentdeckten Wäldchen mit der Madonna geholfen, haben einige Bänke aufgestellt, haben den Lehrpfad Wasser fürs Leben angelegt usw. Der Verein ist dank Blanka Borůvková entstanden, die nach vielen Jahren nach Plan zurückgekehrt und ein großes Organisationstalent ist. Dank ihrer Erfahrungen mit dem Theater kommen einige der besten Künstler hier her, die normalerweise nicht in so eine kleine Stadt kommen würden. Ich glaube, dass der Weg zur Weiterentwicklung der Gesellschaft über die Kultur führt.
Ich bin seit fünfzig Jahren hier. In den letzten dreißig Jahren hat sich die Stadt so verändert, dass man sie nicht wiedererkennen würde. Zum Beispiel das Gelände hier in der Nähe, wo heute eine Sportanlage mit einer Laufbahn ist, die an den Park anschließt. Früher war dort eine schwelende Müllhalde. Das war direkt hinter unserem Haus, als Jungs haben wir dort mit der Schleuder Flaschen kaputtgeschossen. Mitten in der Stadt war eine Müllhalde, unglaublich! Für mich ist wichtig, dass Plana nicht verschuldet ist und sinnvoll investiert. Man kann hier junge Menschen mit Kindern sehen. Die Kunstschule arbeitet an sich, die Grundlagen, die dort gelehrt werden haben auch meinen Kindern genützt. Es gibt Möglichkeiten Sport zu machen. Die Leitung der Stadt unterstützt die Kultur in allen Richtungen (preisgekrönte Instandsetzung des Kinos und des Trauersaals), kümmert sich um die Infrastruktur usw. Der Wald ist gleich um die Ecke. Wirklich ein guter Ort zum Leben.
Die Tischlerei ist für mich die Grundlage. Ich habe aber das Gefühl, dass man für ein gutes Handwerk einen weiteren Horizont haben muss, die Kultur steckt in jeder Tätigkeit. Ich bin dann offener für neue Sichtweisen, auch bei meiner Arbeit.