Ein Liebesgruß von Isabella

Jeden Tag sind neue E-Mails da. Die meisten sind lästig, weil irgendjemand irgendetwas will, und zwar möglichst sofort. Um so schöner, wenn einem aus dieser Erledigungsflut hin und wieder eine Nachricht verheißungsvoll zuwinkt. Gestern kam sie von einer Dame, die mir auf Tschechisch schrieb, und ich konnte kaum glauben, was ich las: „Ich heiße Isabella, ich bin 25 Jahre alt und suche einen Mann, der unter Liebe Vertrauen versteht …“

Genau meine Wellenlänge, dachte ich. Was hat man in meinem Alter nicht schon alles für Enttäuschungen hinter sich, erlittene wie zugefügte … aber zu einer netten jungen Frau könnte ich wieder Vertrauen fassen. Ich las weiter. Es folgten einige Worte, die ich nicht genau verstand, aber dann fühlte ich mich wieder angesprochen: „Sinn für Humor“ wünschte sie sich. Den habe ich zweifellos. Zwar habe ich auch Freunde, die meinen Sinn für Humor als Neigung zu Kalauern abqualifizieren, aber von denen lasse ich mich nicht beirren. Bestimmt hat Isabella alle meine Blogbeiträge durchgelesen und vom ersten Text an gemerkt, was für ein humorvoller Mensch ich bin. Ich nahm einen Schluck Kaffee und freute mich über den vielversprechenden Tagesbeginn. Hatte ich nicht schon lang von einem Mädchen aus Tschechien geträumt, das hinter die Äußerlichkeiten blickt und meine inneren Qualitäten erkennt? Aber von wem mochte die E-Mail nur sein? Hatte ich jemals eine Isabella kennengelernt? Vielleicht, überlegte ich, ist es die junge Rezeptionsdame des Hotels in Komotau, in dem ich im Oktober logiert hatte. Sie hatte sich neugierig erkundigt, warum wir eigentlich hier sind, und ich hatte im Laufe unseres Gesprächs auch meinen Blog erwähnt. Aber warum schreibt sie mir erst jetzt? Sind es die Frühlingsgefühle?

„Denken Sie auch daran, dass Liebe keine Barrieren kennt, weder durch Hautfarbe noch Schulbildung, Sprache noch Staatsangehörigkeit … das einzig Wichtige sind Liebe und Verständnis füreinander.“

Ich hätte es nicht besser formulieren können. Isabella … wie schön, dass die süße Maus auf meine Sprachkenntnisse vertraut und mir auf Tschechisch schreibt. Aber wenn ich genauer hinsehe – ist das überhaupt richtiges Tschechisch? „Cekám na slysím od vás brzy“ – da fehlen ja alle Hačeks. Außerdem – „ich warte auf ich höre von Ihnen bald“? So kann man sich weder auf Tschechisch noch auf Deutsch ausdrücken.

Nachdenklich nahm ich noch einen Schluck Kaffee. Dann griff ich nach meinem Kalender und schrieb hinein: „Premiere. Meine erste tschechische Spam-Email.“