Mit dem Maulwurf unterwegs
Man muss nicht unbedingt fließend und fehlerfrei sprechen, um Komplimente zu bekommen, wie gut man Tschechisch könne. Hauptsächlich kommt es darauf an, mit dem richtigen Wort zur richtigen Zeit zu glänzen. „Pohodář“ zum Beispiel ist ein solches Wort, für das es übrigens, wie mir scheint, kein passendes deutsches Gegenstück gibt. Gefunden habe ich es in irgendeinem Interview in der Zeitschrift „Týden“, und aus dem Zusammenhang konnte ich mir erschließen, dass ein pohodář ein unkomplizierter Kumpel ist, der immer gute Laune verbreitet, niemandem so schnell etwas krumm nimmt und sich keine unnötigen Sorgen macht – kurz, jemand, der so ist, wie man selber gern wäre. Er muss verwandt sein mit „pohoda“, laut Langenscheidt „schönes Wetter; (seelisches) Gleichgewicht, Annehmlichkeit“, aber ihn selbst findet man im Wörterbuch nicht.
Umso größer das Erstaunen meiner tschechischen Freunde, als sie mir einen Bekannten beschrieben, auf den die genannten Eigenschaften zutrafen, und ich ins Gespräch einwarf: „Ein wahrhafter pohodář also.“ Von den Komplimenten, die ich für mein Tschechisch bekam, wurde ich rot, weil ich mir vorkam wie einer jener Betrüger, die naive alte Leute mit einem billigen Trick ihrer Ersparnisse berauben. Allein durch den pohodář war es mir – wieder einmal – gelungen, all meine haarsträubenden Grammatikfehler unter den Teppich zu kehren.
Neulich aber ist etwas schiefgegangen. „Ich bin mit der U-Bahn gekommen“, wollte ich sagen, und da Jana mir einmal gesagt hatte, dass man die Metro in Prag gern „krtek“, also „Maulwurf“ nennt, sagte ich „Přijel jsem krtkem“ und sorgte damit zunächst für Ratlosigkeit – „Bitte? Womit bist du gekommen?“ –, dann für gewisse Disharmonien in der Runde. Wo ich den Ausdruck herhätte, wollte Jaroslav wissen.
„Von einer Pragerin, die seit ein paar Jahren hier lebt“, erwiderte ich.
„Ha!“, sagten alle. „Wir kommen auch aus Prag, aber ‚krtek‘ für ‚U-Bahn‘ haben wir noch nie gehört.“
„Das liegt wahrscheinlich daran“, sagte ich, „dass ihr schon seit mindestens zwanzig Jahren in Deutschland lebt. Vielleicht ist das erst später in Mode gekommen. Da gibt‘s doch ein Lied von … von Jaromir Nohavica, glaub ich. Über Maulwürfe, die sich eine U-Bahn im Garten bauen …“
„Kann schon sein“, gab Václav zurück. „Aber trotzdem … ich hab erst kürzlich ein paar Monate in Prag gearbeitet … nein, das sagt man so nicht. Deine Bekannte hat dir einen Bären aufgebunden.“
Damit war der Eindruck, den ich zuletzt mit dem „pohodář“ hinterlassen hatte, ruiniert, und ich muss nun für eine Weile mit dem Ruf leben, dass ich auf jeden Blödsinn hereinfalle, den man mir erzählt.
Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Jana … nein, solche Scherze sehen ihr eigentlich gar nicht ähnlich. Irgendwie muss ich rauskriegen, ob das nun stimmt mit dem Maulwurf oder nicht. Falls ich also zufällig Leser aus Prag haben sollte – hallo? Könnten Sie sich bitte bei mir melden? Natürlich nur dann, wenn Sie regelmäßig mit dem Maulwurf fahren. Es geht um meinen Ruf.