Sie hörten Dvořák
“Sie hörten das Klavierkonzert G-moll opus 33 von Antonín Dvořák.” Wenn ein solcher Satz im deutschen Rundfunk fällt, hat man nicht nur Dvořák gehört, sondern auch eine gewisse Erleichterung des Sprechers, dass ihm das “ř” gelungen ist. Oh ja, das tschechische “ř” wird in Deutschland ernst genommen. Sehr ernst.
Die Tschechen sind an unserer “ř”-Phobie möglicherweise nicht ganz unschuldig. Immer wieder hört oder liest man die Behauptung, sie seien stolz auf ihr “ř”. Ich weiß zwar nicht, ob ich das glauben soll, da ich noch keinem Deutschen begegnet bin, der stolz war auf “ü” oder “ö”, aber Fakt ist, das “ř” gilt bei uns als die phonetische Nagelprobe. “Man kann noch so perfekt Tschechisch sprechen – am mangelhaften “ř” erkennen sie sofort den Ausländer!” raunt man sich in Deutschland zu. In Wahrheit jedoch scheitern wir aus ganz anderen Gründen an Dvořák. Ich kann mir gut vorstellen, dass ein deutsch ausgesprochener Dvořák in tschechischen Ohren wie ein militärischer Befehl klingt: “Rrrrechts um! Marrrsch! Dvorrrschakk!”
Es kursiert nämlich bei uns die eiserne Regel, dass im Tschechischen die Betonung grundsätzlich auf der ersten Silbe liegt, weswegen wir die čarkas für lustige kleine Verzierungen halten, die Pan Tau persönlich mit einem Augenzwinkern über die Vokale gestreut hat. Betonungszeichen können die čarkas nicht sein, denken wir, denn sie treiben sich mal auf mittleren Silben herum, mal auf Endsilben, aber keineswegs immer auf der ersten Silbe.
Sobald man aber weiß, wozu sie da sind, steht man als Tschechischlernender schon beim korrekten Umgang mit einem tschechischen Café vor der unlösbaren Aufgabe, die kavárna auf der ersten Silbe zu betonen und ihr zugleich eine lange zweite Silbe zu geben. “Dvořák”, würde ein deutscher Rundfunksprecher, über tschechische Vokallängen aufgeklärt, skeptisch fragen, “spricht sich also so ähnlich wie “Dvořaaak”? Wo bleibt denn da die Betonung auf der ersten Silbe?”
Mit dem weltweit gefürchteten Zungenbrecher “Strč prst skrz krk” haben die Tschechen eine Art konsonantischer Firewall um ihre Sprache errichtet, die Eindringlinge nicht nur fernhalten, sondern ihnen auch vormachen soll, dass die größte Schwierigkeit des Tschechischen die Konsonanten sind. In Wahrheit sind es die Vokale, die auf betonten Silben kurz, auf unbetonten Silben lang sein können und der Sprache ein ganz eigentümliches Schweben verleihen.
Aber solange die Tschechen unbekümmert “Bätthovään” sagen, wenn sie Ludwich van Beethoofn meinen, dürfen auch wir so weitermachen wie bisher – mit “Dvorrrschakk – marrrsch!”