Der Kreuzschlitzschraubenzieher
Am besten, sagte mir ein tschechischer Wirt in Nürnberg, lerne man Tschechisch im Gasthaus, am štamtiš, wo man bei ein paar štamprle šnaps mit dem einen oder anderen štamgast ins Gespräch kommt. Ich hab ein dummes ksicht gemacht hinter meiner brýle und hab mir überlegt, ob das ein švindl ist, weil er bloß ein kšeft mit mir machen will, oder ob ich wirklich im Gasthaus mýrnixtýrnix Tschechisch lernen kann. Aber weil ich schon besoffen war, wollte ich heim und hab mir ein Taxi bestellt, damit mein Führerschein nicht fuč ist und damit ich mein Auto nicht zu šrot fahre …
Nein, das stimmt natürlich nicht. Ein Schriftsteller, der keine Bestseller schreibt, kann sich kein Taxi leisten und steuert sein Auto immer selber von der Kneipe nach Hause. Auch wenn er betrunken ist. Früher habe ich auf solchen Fahrten immer Blut und Wasser geschwitzt. Jetzt kann ich über Polizeikontrollen nur noch lächeln. Erst neulich wurde ich nachts angehalten, weil das linke Rücklicht nicht funktionierte. Ich sagte: “Gar kein Problem! Ich hab nämlich immer eine Ersatzglühbirne im Handschuhfach – und außerdem einen Kreuzschlitzschraubenzieher!” Das Wort “Kreuzschlitzschraubenzieher” verwendete ich mit Absicht. Auch mit zwei Promille Alkohol im Blut kann ich es mittlerweile so perfekt aussprechen, als wäre ich ein Rundfunksprecher, und ich bin mir sicher, die Polizisten hatten dieses Wort noch niemals in ihrem Leben in solch vollkommener Artikulation gehört. Sie verzichteten auf eine Alkoholkontrolle, verabschiedeten sich höflich und fuhren davon.
Ich sah ihnen nach und dachte: Wenn ihr wüsstet, dass ich seit drei Monaten den Zungenbrecher übe “tři tisíce tři sta třicet tři stříbrných stříkaček stříkalo přes tři tisíce tři sta třicet tři stříbrných střech” … und spätestens seit jenem Augenblick weiß ich: Tschechisch lernt man nicht nur in der Kneipe, sondern auch für die Kneipe.

