Kultur- und RadTour in die Böhmisch-Mährische Höhe
Rückblick der Kultur- und RadTour 2024 durch die Böhmisch-Mährische Höhe von Alfons und Renate Zisler, Schwandorf
Das Ende einer Reise markiert bekanntlich den Beginn der nächsten. Beginnen wir also mit einem Rückblick: Am Ende der Kultur- und RadTour 2023 durch den Nationalpark Böhmerwald hatte unser bewährter Reiseleiter Dr. Mikuláš Zvánovec angedeutet, sich für die 10. Kultur- und RadTour von Centrum Bavaria Bohemia (CeBB) und Bavaria Bohemia e. V. etwas Besonderes einfallen zu lassen. Die Wahl für Jubiläumstour vom 24. bis 28. August 2024 fiel auf die Böhmisch-Mährische Höhe (Českomoravská vrchovina).
Der Böhmisch-Mährische Gebirgszug, der Höhen von über 800 m erreicht, trennt Südböhmen von Südmähren. Die malerische Region zwischen Prag und Brünn ist bekannt für ihre sanften Hügel, dichten Wälder und reiche Geschichte. Die Kombination aus Radtouristik und kulturellen Highlights versprach abwechslungsreiche und inspirierende Erlebnisse.
1. Tag / Samstag, 24. August 2024
Nach zeitigem Start in der Oberpfalz und einer mehrstündigen Anreise, starteten wir in das Abenteuer und unsere erste Tagesetappe bei Telecí. Geleitet wurde die Tour wieder von Dr. Mikuláš Zvánovec. Gleich der erste Anstieg war etwas anstrengend, wurde aber mit einem spektakulären Blick über die Stadt Polička belohnt.
In Polička (Politschka) war Gelegenheit zur Besichtigung der Jakobskirche, in deren Turm 1890 der Komponist Bohuslav Martinů geboren wurde (wiewohl der Gegend um die böhmisch-mährische Grenze mit Gustav Mahler und Bedřich Smetana zwei weitere bekannte Komponisten des Landes entstammen). Ein Fest auf dem Marktplatz, dem Palackého naměstí mit dem gelben klassizistischen Rathaus, machte gleich zu Beginn der Radreise deutlich, dass unsere tschechischen Nachbarn den Deutschen im Feiern nicht nachstehen.
Die Tagestour endete nach knapp 40 km in Litomyšl (Leitomischl). Litomyšl gehört zu den schönsten Kleinstädten des Landes. Hier wurde Bedřich Smetana geboren, und hier steht mit dem Schloss ein Musterbeispiel der Renaissancebaukunst, eingetragen in die Welterbeliste der UNESCO. Die letzten adeligen Besitzer des Schlosses waren die Thurn und Taxis (bis 1945). Das Schloss selbst ist eine Augenweide. Am beeindruckendsten ist die prächtige Fassadenverzierung mit rund 8000 verschiedenen Briefchen-Sgraffiti.
In der dem Schloss gegenüberliegenden ehemaligen Brauerei wurde 1824 Bedřich Smetana geboren. In der einstigen Drei-Zimmer-Wohnung der Familie erweist man dem großen Komponisten mit einer kleinen Ausstellung die Reverenz. U. a. ist das Klavier des jungen Smetana zu sehen.
Verständlich, dass sich Litomyšl gerne mit dem Beinamen „Smetana-Stadt“ schmückt. Den gut 500 m langen Hauptplatz, selbstverständlich mit Mariensäule, einem Brunnen und einem Smetana-Denkmal bestückt, säumen überwiegend spätbarocke und neoklassizistische Fassaden mit schönen Arkadengängen.
Die Zeit bis zur Fahrt in das Hotel nach Sněžné nutzte man zu einer willkommenen Kaffeepause und beim Abendessen im gleichnamigen Hotel konnte man sich bei einem Lendenbraten mit Sahnesoße („Svičková na smetaně“) und „houskové knedlíky“ (in Scheiben geschnittene Mehlklöße) mit einem der böhmischen Standards vertraut machen. An den nächsten Tagen sollten weitere „Nationalgerichte“ folgen, bereichert jeweils mit einer Suppe als Vorspeise.
Ein gelungener Auftakt!
2. Tag / Sonntag, 25. August 2024
Die gut 50 km lange Tour startete bei Karlov, unweit des Freizeitsees Velké Dářko. Nach etwa einer halben Stunde erreichte die Gruppe mit der Nepomukkapelle auf dem Grünen Berg bei Žďár nad Sázavou (Saar an der Sazawa) eine weitere UNESCO-Weltkulturerbestätte. Die faszinierende Wallfahrtskapelle ist eine architektonische Meisterleistung von Giovanni Santini.
Johann Blasius Santini Aichel, bekannter unter dem Namen Giovanni Santini, wurde 1677 in Prag geboren und hatte italienische Wurzeln. Aichel verband die gotischen mit den barocken Elementen und hinterließ damit eine einzigartige Architektur, die heute als Barockgotik bezeichnet wird.
Eindruck braucht Ausdruck. Bei einer Führung erfuhren wir viel über die Symbolik in der Kapelle, die eng mit der Nepomuklegende verbunden ist. Die Kirche besitzt den Grundriss eines fünfzackigen Sterns, aus dem wiederum fünf kleine, ovale Kapellen hervortreten. Die fünf Kapellen symbolisieren sowohl die fünf Wunden Christi als auch die fünf Sterne, welche um Nepomuks Haupt beim Brückensturz aufgeflackert sein sollen. Die Motive „Zunge“ und „Sterne“ wiederholen sich in der Ausschmückung im Innern der Kirche: Über der Kanzel, an der Decke, in den Seitenkapellen etc.
Nach der Mittagspause in Žďár ging es entlang der Sázava weiter nach Havlíčkův Brod. Unterwegs passierten wir in Příbyslav ein Reiterdenkmal für Jan Žizka, den wohl bekanntesten hussitischen Heerführer. Žižka hatte bereits 1420 am Prager Vítkov-Berg das kaiserliche Kreuzfahrerheer besiegt und wird bis heute geehrt. Wie Mikuláš zu berichten wusste, ist der „Einäugige“ 1424 unweit von Příbyslav zu Tode gekommen – allerdings ist Žížka nicht im Kampf gefallen, sondern vermutlich einer Entzündung erlegen.
Das geschäftige Zentrum von Havlíčkův Brod besitzt einen bildschönen Vorzeige-Marktplatz mit Pestsäule. Vom alten Rathaus blickt der Knochenmann mit Sense auf die farbenfrohen Fassaden der restaurierten Bürgerhäuser. Das frühere Deutsch-Brod wurde nach dem Zweiten Weltkrieg nach dem Journalisten, Schriftsteller und Freidenker Karel Havlíček Borovský umbenannt.
Mit dem Bus ging es nach Lipnice nad Sázavou (Lipnitz an der Sazawa). Hier starb 1923 der berühmteste Bohemien Böhmens, der Schriftsteller Jaroslav Hašek. Zwei Jahre vor seinem Tod erschien die erste Ausgabe des Heftchens „Die Abenteuer des braven Soldaten Švejk“. Daraus wurde später der mit Abstand erfolgreichste tschechische Roman, und der brave Soldat selbst, ein einfacher Mann aus dem Volk, aber ein Schlitzohr, stieg zu einer unsterblichen Figur der Weltliteratur auf. Unterhalb der mächtigen Burgruine gibt es eine Hašek-Gedenkstätte und gegenüber ein Hašek-Denkmal. Vor der Rückfahrt ins Hotel luden mehrere Lokale zum Ausklang der Tagesetappe ein.
3. Tag / Montag, 26. August 2024
Die heutige Strecke über gut 65 km war die längste auf der fünftägigen Kultur- und RadTour. Los ging’s am Hotel in Sněžné. Man wähnte sich fast in vertrautem oberpfälzer Umfeld, folgte die Strecke doch dem Flusslauf der Schwarzach – nur, dass der Fluss in der Landessprache eben Svratka heißt.
Tschechien ist das Land der Schlösser und Burgen. Bevor es auf einem gut ausgebauten Radweg durch schattigen Wald der Talsperre Vír entlang ging, wurde die Burgruine Dalečin „eingenommen“, aber eine noch größere Burg sollte bald folgen. Entlang des Stausees boten sich wiederholt schöne Aussichtspunkte, die zu kurzen Stopps einluden, so auch am Fuße der Staumauer, wo der E.ON-Konzern Strom aus Wasserkraft gewinnt.
Türme, Zinnen, Wälle und Tore: Hrad Pernštejn (Burg Pernstein) ist der Inbegriff einer Ritterburg und diente nicht umsonst oftmals als Filmkulisse („Prinzessin auf der Erbse“, „Nosferatu – Phantom der Nacht“, „Luther“ u. v. a.). Mikuláš wusste auch von einer legendenhaften weißen Frau zu erzählen, die durch die verwinkelten Burggänge irrt. Leider war das Burgareal geschlossen – es war Montag – und so mussten wir uns mit dem Blick von außen auf die schönste, größte und bedeutendste Burg Mährens begnügen.
Mit dem Klášter Porta Coeli (Kloster Himmelspforte) unweit der Kleinstadt Tišnov wartete am Ende des Tages ein letztes Highlight auf die Radlerinnen und Radler. Kloster Himmelspforte ist das einzige, noch im Betrieb befindliche Zisterzienserinnenkloster auf tschechischem Boden. Es wurde 1233 von Konstanze von Ungarn gestiftet. Seinen Namen Porta Coeli erhielt es nicht zufällig: Schmuckstück der Klosterkirche ist das wunderschöne Hauptportal mit außergewöhnlich filigranen Steinmetzarbeiten. In der Mitte des Tympanons thront Jesus, darunter sieht man die Apostel und die Stifterin des Klosters. Sowohl zum Portal wie auch zum Innern der Kirche gab es Erläuterungen bei einer kurzen Führung.
Zu einem Kloster gehört gewöhnlich ein Wirtschaftsbetrieb und so war es nur konsequent, dass die heutige Tour in der Klosterbrauerei mit dem tschechischen Grundnahrungsmittel Nr. 1 beendet wurde – Genuss zu attraktiven Konditionen!
4. Tag / Dienstag, 27. August 2024
Nach dem Frühstück hieß es Abschied zu nehmen vom Hotel in Sněžné, in dem wir die erste deutsche Gruppe überhaupt waren. Zum Start für die letzte Etappe über 46 km durch den Mährischen Karst, brachte uns der Bus in die Nähe von Žďárná.
Weil aus der Gruppe heraus Interesse an der tschechischen Sprache bekundet worden war, nutzte Mikuláš die Fahrt, um einige Besonderheiten seiner Muttersprache zu vermitteln. Wer nie eine slawische Sprache gelernt hat, wird sich mit Tschechisch schwer tun. Das Kapitel Grammatik schlägt man am besten erst gar nicht auf. Sieben Fälle – sieben Fallen! Zum Stottern verdammen Wörter, die ganz und gar ohne Vokale auskommen. Zu einschüchternden Demonstrationszwecken kann man sogar ganze nichts sagende Sätze ohne Vokale konstruieren: „Strč prst skrz krk! – Stecke den Finger durch den Hals!“ Nahezu ein Ding der Unmöglichkeit ist die Aussprache des ř – r und sch sollten dabei gleichzeitig über die Lippen kommen: „Tři tisíce tři sta třicet tři stříbrných stříkaček střikalo přes tři tisíce tři sta třicet tři stříbrných střech – 3.333 silberne Spritzen spritzten über 3.333 silberne Dächer“. Viel Spaß beim Üben!
Der Mährische Karst ist einer der schönsten und meistbesuchten Landstriche Tschechiens. Flüsse und Bäche verschwinden einfach in der Erde und tauchen anderswo wieder auf, dazwischen Schluchten und Höhlen wie geschaffen für Fantasyfilme.
Wie alle Karstlandschaften entstand auch der Mährische Karst durch Erosion und Korrosion von Kalkgestein über Millionen Jahre hinweg. Die Fahrt durch den von Sonnenlicht durchfluteten Wald entlang des Flusses Punkva, vorbei an bizarren Felsgebilden, wie dem Teufelstor, hatte etwas Märchenhaftes und verschaffte bleibende Eindrücke. Die Tour endete in der mährischen Landeshauptstadt Brno (Brünn).
Für einen stimmungsvollen Tagesausklang sorgte abends die 3-Mann-Band „RADOŠOV“ mit ihrer Zymbal-Musik, tschechisch „Cimbalovká“ genannt, die hauptsächlich in der mährischen Slowakei gespielt wird. Besonderes Augenmerk fand dabei das Zymbal, ein trapezförmiges, auf vier Beinen stehendes und mit Klöppeln geschlagenes Hackbrett. Schon nach wenigen Takten war das Eis gebrochen und es wurde gesungen, geschunkelt und getanzt. Manche Stimmen behaupteten gar, es wäre der ultimative Höhepunkt der Reise gewesen.
5. Tag / Mittwoch, 28. August 2024
Als „Paris Mährens“, die „Schöne im Schatten Prags“ oder „Klein-Wien“ wird Brno (Brünn) gerne bezeichnet. Brno ist der historische und kulturelle Mittelpunkt Mährens und die zweitgrößte Stadt des Landes. Die Stadt hat in den vergangenen 20 Jahren einen enormen Wandel durchlaufen. Prächtige Fassaden erstrahlen in neuem Glanz, Brachen wurden gelungen bebaut, alle möglichen Sprachen sind zu hören.
Der knapp zweistündige Spaziergang durch die Altstadt am Morgen des letzten Reisetages war ein Erlebnis voller Geschichte, Kultur und lebendiger Atmosphäre. Anlaufpunkte waren das Alte Rathaus, der Krautmarkt, der Dom St. Peter und Paul mit den markanten Türmen, die Kapuzinerkirche und der Platz der Freiheit.
Zu allen Sehenswürdigkeiten hatte unser Stadtführer Erklärungen parat. So erzählte Peter z. B. beim Alten Rathaus die Legende vom Brünner Drachen und vom Brünner Rad (tatsächlich aber hängt in der Toreinfahrt außer dem Rad ein Krokodil) oder bei der Kapuzinerkirche von einer der wichtigsten Brünner Persönlichkeiten, dem Pandurenführer Franz von der Trenck, der in der Kapuzinergruft bestattet ist und an den alljährlich in der Stadt Waldmünchen ein Freilichtspiel erinnert.
Die Verschnaufpause bis zur Rückfahrt wurde dazu genutzt, in einem der zahlreichen Cafés oder Restaurants einzukehren und die fünftägige Kultur- und RadTour mit ihren unvergesslichen Eindrücken perfekt ausklingen zu lassen.
Fazit
Mikuláš hatte nicht zu viel versprochen. Die Jubiläums-Kultur- und RadTour 2024 war etwas Besonderes. Die Böhmisch-Mährische Höhe hat uns körperlich ge- aber nicht überfordert und uns mit ihrer Vielseitigkeit und ihren kulturellen Schätzen begeistert. Und selbst die ein oder andere baustellenbedingte Sperrung und Umleitung hatte ihren besonderen Reiz.
Gespannt blicken wir auf die nächste Tour und die neuen Erlebnisse, die uns erwarten.
Der verdiente Dank galt dem Reiseleiter-Team um Susanne Setzer und Mikuláš Zvánovec für die Ausarbeitung und Begleitung der Tour, dem Busfahrer Christian, der uns sicher nach Mähren und zurück gebracht hat, ebenso Matthias Eickhoff, der etliche Male durch beherzte „Verkehrsregelung“ für eine sichere Straßenüberquerung gesorgt hat und nicht zuletzt der gesamten Radlertruppe, durch die dieses Ereignis zu einem harmonischen Gemeinschaftserlebnis geworden ist.
Den Schlusspunkt setzte Mikuláš durch die gelungene Zusammenfassung der Tour in Reimform:
„Zur Jubiläumsreise in höhere Spähren,
zu sehen die Orte in Böhmen und Mähren.
Ich kann’s net glauben, now it is official,
wir strampeln zu Smetana nach Leitomischl.
Mit leichter Hand und fast ohne Druck,
bestaunen wir die Kirche des heiligen Nepomuk.
In der böhmisch-mährischen Höhe,
da gibt es viele Quellen –
wir erkunden die Flüsse entlang der Baustellen.
Im Schnitt 20 Kilometer und 25 Grad,
Höhlen, Burgen, der brave Soldat,
Talsperren, Schotterwege – und jetzt kommt die These
wären ja nix ohne panierten Käse.