Informationssystem für mittelalterliche Denkmäler an der bayerisch-tschechischen Grenze
Das Institut für Angewandte Informatik hat in Zusammenarbeit mit der THD Freyung ein Projekt zur Förderung des geistlichen Erbes im bayerisch-tschechischen Grenzgebiet umgesetzt.
Der Schwerpunkt des Projekts liegt im Bereich der Tourismusförderung durch den Einsatz innovativer Informationstools und Technologien. Ein gemeinsames grenzüberschreitendes Team bestehend aus Experten der Südböhmischen Universität in Budweis/České Budějovice und der Technischen Universität in Deggendorf hat eine touristische mobile Anwendung entwickelt, die das kulturelle Erbe der bayerisch-tschechischen Grenzregion für Nutzer zugänglich macht. Im Vergleich zu städtischen Gebäuden oder Residenzen des Adels wurde dieser Bereich des architektonischen Erbes häufig unterschätzt, unter anderem aufgrund der allgemein begrenzten Aufmerksamkeit, die der sakralen Architektur in der Zeit des Sozialismus in der Tschechoslowakei zuteil wurde, und aufgrund der Vertreibung der deutschen Bevölkerung nach dem Zweiten Weltkrieg. Das Projekt ist ein Schritt hin zu einer breiteren Umsetzung mobiler Technologien im Bereich des Kulturtourismus in der Region und füllt mit seinem Fokus auf vernachlässigte ländliche Denkmäler eine Lücke in der lokalen touristischen Infrastruktur.
Ländliche sakrale Architektur ist ein fester Bestandteil der bayerisch-tschechischen Landschaft. Der geistliche Reichtum der Region hat seine Besonderheiten, die auf den spezifischen Bedingungen des Fungierens der lokalen Bevölkerung und der Besiedlung der Landschaft beruhen. Seit dem Mittelalter sind Dorfkirchen an der Grenze ein Ort der religiösen Besinnung und spirituellen Reinigung sowie ein Treffpunkt verschiedener Gemeinschaften über Grenzen hinweg. Die Dorfkirche ist seit jeher der Mittelpunkt der Mikrowelt der Landbevölkerung und der Handlungen des kirchlichen Lebens, von Festen, Wallfahrten, wichtigen Übergangsritualen des Lebens (z.B. Taufe, Hochzeit, Beerdigung), aber auch lokaler Legenden und Traditionen.
In einem kurzen Zeitraum von 1,5 Jahren verarbeitete das Projekt Passwörter und Fotos für 25 Kirchen auf deutscher Seite und 100 Landkirchen auf tschechischer Seite, die nun über die Anwendung und Wikipedia zugänglich sind. Sie enthalten kunsthistorische Beschreibungen, machen auf interessante architektonische und dekorative Elemente aufmerksam und führen Gebäude in den historischen und geistlichen Kontext der Region ein. Außerdem wurden Werbematerialien für die Kirchen in deutscher und tschechischer Sprache erstellt und zudem entsteht eine kleine Buchveröffentlichung. Diese stehen Partnern und Unterstützern des Projekts, der Tourismuszentrale Südböhmen und Bayern Tourism, zur Verfügung. Das Projekt trägt somit dazu bei, diese Denkmäler bekannt zu machen und die breite Öffentlichkeit über ihre Bedeutung und ihren geistlichen Inhalt zu informieren. Das Projekt fördert damit deren Schutz und Aufwertung als Teil der Entwicklung der Kulturlandschaft der Grenzregion.
Für die Entwicklung und Erprobung der mobilen Anwendung haben die Partner einen umfangreichen Datensatz erstellt, der etwa 4.500 Fotos der Innen- oder Außenansichten der oben genannten Sakralkirchen enthält, darunter detaillierte Beispiele für Kirchen bestimmter Komponenten wie Altäre, Presbyterien, Fresken usw.
Die Funktionalität der erstellten mobilen Anwendung ist dreidimensional. In der ersten Dimension werden dem Nutzer Text-, Grafik- und Geolokalisierungsinformationen zur Verfügung gestellt, die für einzelne Kirchen relevant sind. Die Anwendung ermöglicht es dem Benutzer auch, über sein Mobiltelefon automatisch zur jeweiligen Kirche zu navigieren, was vor allem interessierte Touristen sicherlich zu schätzen wissen.
Die zweite Dimension der Funktionalität der Anwendung besteht in der Möglichkeit, ein Sakralgebäude gemäß dem folgenden Szenario zu identifizieren. Wenn der Benutzer ein Foto besitzt, das beispielsweise eine Kirche (oder einen Teil davon) aus der von uns untersuchten Region zeigt, kann die Anwendung das Objekt identifizieren, ohne das Foto des Benutzers zu kennen. Dies ist dadurch möglich, dass die Anwendung auf einem unbekannten Foto wesentliche Kirchenbestandteile (z. B. Altäre, Fresken oder Orgeln) erkennt und diese dann mithilfe fortschrittlicher Methoden aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz und Computer Vision mit Fotos in der Datenbank vergleicht. Diese Funktionalität ist völlig allgemeingültig und gedanklich problemlos auf andere Objekte als Sakralbauten übertragbar und kann nach Projektende auch auf andere Themen erweitert werden.
Die dritte Dimension der Funktionalität stellt ein Empfehlungssystem dar, das dem Nutzer, basierend auf der Kenntnis seiner persönlichen Vorlieben und seines geografischen Standorts, interessante regionale Touristenattraktionen im Hinblick auf die Priorisierung von Sakralbauten anbietet. Diese Funktionalität erweitert die Nutzbarkeit der mobilen Anwendung für die breite Öffentlichkeit, indem sie auch von anderen Nutzern genutzt werden kann, die in erster Linie nach anderen Arten von Attraktionen als Sakralbauten suchen, also nach interessanten Kulturzielen, Naturschönheiten oder Lehrpfaden.
Auf Webanwendungen kann zugegriffen werden unter:
Projektdaten:
Projektname: Informationssystem für mittelalterliche Denkmäler im bayerisch-tschechischen Grenzgebiet, Nr. 335
Förderprogramm: Grenzüberschreitendes Kooperationsprogramm Freistaat Bayern – Tschechien EUC-Ziel 2014–2020.
Bayerische Seite: Fakultät für Angewandte Informatik Technische Universität Deggendorf (Technologiecampus Freyung)
Tschechische Seite: Fakultät für Informatik der Fakultät für Naturwissenschaften der Südböhmischen Universität in Budweis, die auch die Zusammenarbeit mit Archäologen, Historikern und Kunsthistorikern sicherstellt.
Gesamtbudget beider Partner: 558.383,23 Euro
Durchführung: vom 01.07.2021 bis 31.03.2023

