Funkwellen: Fluch und Segen
Thomas Höppe hat als Bauingenieur einen normalen Beruf. Ganz im Gegensatz dazu seine Freizeit, in der sich alles um seine Leidenschaft als Funker dreht. Die Dimensionen für das Grenzland packt der Funker-Freak vor Publikum aus.
Was haben Maxwell’sche Theorie, der Physiker Heinrich Hertz, ein italienischer Nobelpreisträger namens Guglielmo Marconi, Morsezeichen und schließlich Funkwellen mit Grenzland, Kaltem Krieg und grenzüberschreitenden Beziehungen zu tun? Diese Fragen stellten sich zwangsläufig für Besucher des Vortrags „Funkwellen kennen keine Grenzen – die spezielle Bedeutung der hochfrequenten Wellen in der deutsch-tschechischen Geschichte anhand einer Auswahl von Einzelfällen“ letzten Donnerstag im Centrum Bavaria Bohemia (CeBB).
Zwischen Leinwand mit der Vortragspräsentation und den sehr interessierten Gästen steht ein langer Tisch mit dicht nebeneinander aufgebauten Sender / Empfänger Utensilien, wie sie Mitte des letzten Jahrhunderts Stand der Technik waren. Dazwischen Thomas Höppe aus der Nähe von Amberg, der auf Einladung des CeBB den Vorhang zu einem Thema öffnet, das uns mitten in die Kriegszeiten des 20. Jh. mit Spionage während des 2. Weltkriegs, dann im Kalten Krieg und weitergedacht bis in die heutige Cyberkriminalität hineinführt. Spannend ist, dass nichts, was dabei physikalisch passiert, für Normalbürger sichtbar ist: die Funkwellen. In seiner Bundeswehrzeit landet der Funklizenzinhaber bei den Funkaufklärern. Er kommt trotz anderem Berufsweg vom Funken nicht mehr los. Im Vortrag lässt er die zahlreichen Gäste – einige ehemalige Grenzschützer darunter – hinter die Kulissen schauen und lüftet ein Geheimnis nach dem anderen. „Alle Geräte, die hier vor mir auf dem langen Tisch stehen, habe ich selbst gebaut. Sie funktionieren und zeigen, wie es Agenten mit einfachen Hilfsmitteln schafften, um per Funk senden und empfangen, also spionieren, zu können. Wo bei anderen Bücher, Kunst oder Reiseandenken die Wände zieren, stehen bei mir zu Hause Vitrinen mit unzähligen von mir selbst bis ins kleinste Detail stimmig zusammengefügten Vorrichtungen, mit denen Funker in früheren Zeiten hantierten“ sagt Thomas Höppe über seine Leidenschaft. Alle die ihm zuhören können gut nachvollziehen, dass er in jeder freien Minute schnell in seine Werkstatt entschwindet, um weiter zu tüfteln, oft an mehreren Geräten gleichzeitig.
Mit dieser technischen Leidenschaft verbindet sich bei ihm die immer tiefere Auseinandersetzung mit den Menschen, die spionierten, ob für die Nazis, die Alliierten, den CIA oder im Kalten Krieg für den Westen und den Warschauer Pakt. Thomas Höppe recherchiert neben seiner Funkgerätebastelei wie ein Besessener und fördert Agentenschicksale mit diversen Auslandseinsätzen ans Tageslicht, deren Geheimnisse er im zweiten Teil seines Vortrags lüftet. Unter ihnen ist mit Richard Auerbach einer, der bis in die letzten Kriegstage noch von Hamburg aus als Antennenspezialist für die Nationalsozialisten Kontakte zu deutschen Agenten bis nach Übersee hält, doch bereits am 5. Mail 1945 Neubürger in Treffelstein wird und von dort nachweislich schon im August 1945 für den amerikanischen CIA arbeitet. Ein Jahr später reicht er im April 1946 bei Landratsamt Oberviechtach ein Gesuch ein, sich in Schönsee in der Hauptstraße in der „Mechanischen Werkstatt Bayer“ mit einer Zweigstelle seines Radio- und Elektrogeschäfts niederlassen zu dürfen. Daraus wird aber nichts. Thomas Höppe sieht in dem Beispiel, wie geräuschlos und ohne Gerichtsverfahren Spezialisten die Seiten wechselten und wie Auerbach eine perfekte Tarnung für seine CIA-Dienste beim Eindringen in den Funkverkehr auf tschechoslowakischer und russischer Feindesseite suchte. Dieser Fall ist einer von mehreren, denen der Funker-Freak nachgegangen ist. „Bin richtig perplex, was Undercover alles bei uns im Kalten Krieg passierte“ meinte ein Besucherin, die bis zu diesem Abend mit Funkwellen nichts anzufangen wusste.
Hintergrund
Wer Thomas Höppe zuhört, kann verstehen, welch Revolution es war, als 1901 erstmals bei einem Versuch ein leises Signal registriert werden konnte, das Funkwellen quer über den Atlantik auslösten. Pionier war der Italiener Guglielmo Marconi, dem am 18. Januar 1903 die erste öffentliche transatlantische Kommunikation zwischen US-Präsident Theodore Roosevelt und dem König von England, Eduard VII mit dem Austausch von Grußbotschaften per Funk gelang. Forscher arbeiteten erfolgreich, blieben jedoch auch in Sackgassen stecken. Patente und Firmengründungen folgten in großer Zahl. Zwischen den beiden Weltkriegen schieden sich die Anwendungen in zivile (z.B. Radioübertragung) und militärische Nutzung (z.B. Spionage).
Als Protagonisten des Ausspähung erreichen einige Akteure bei Insidern historischen Ruhm:
– Rudolf Formis mit seiner Rolle in der Schwarzen Reichsfront im Machtkampf von Adolf Hitler mit Rudolf Strasser
– Jan Budík, Funkpionier in der Tschechoslowakei, der hinter Agenteneinsätzen von England aus zur Ausspähung der deutschen Besatzer stand.
– Karel Richter, der vor der Wahl steht, im KZ zu sterben oder Geheimagent für die Nazis zu werden.
– Richard Auerbach, der fast von einem Tag auf den anderen von den Nazis nach dem Ende des 2. Weltkriegs zum CIA wechselt und in Treffelstein landet.