Bräuche in Westböhmen: Kirchweih, Allerheiligen, Martinstag, Bullenhochzeit
Das Centrum Bavaria Bohemia (CeBB) hat im Frühsommer 2011 gemeinsam mit dem Ethnografische Museum Pilsen (Národopisné muzeum) die Ausstellung "Sitten und Bräuche in Westböhmen" realisiert. Sie informierte zweisprachig über die Traditionen und Bräuche in der Region Pilsen im Verlauf eines Kalenderjahres. An dieser Stelle veröffentlicht das CeBB die Ausstellungstexte passend zur jeweiligen Jahreszeit.
Kirchweih
Zu den beliebten Bräuchen, die an manchen Orten bis heute erhalten geblieben sind, gehört die Kirchweih. Dieses Fest wurde gewöhnlich am Sonntag nach dem Gallustag (16. Oktober) gefeiert, manchmal ist der Stichtag jedoch auch die Einweihung der Pfarrkirche. Zur Kirchweih wird reichlich getafelt und in manchen Orten werden Kirchweihkolatschen (posvícenské koláče) gebacken. Das Fest dauert in einigen Dörfern auch mehrere Tage lang. Ein bspw. in der Region südlich von Pilsen bis heute erhaltener Brauch ist die schöne Stunde (pěkná hodinka) – ein nachmittägliches Tanzfest in einer Gaststätte. Manchmal wurde so ausgelassen gefeiert, dass die Kirchweih lokal verboten wurde, diese Tatsache wurde z.B. im Jahr 1545 in Pilsen erwähnt.
Allerheiligen und Allerseelen
Das am 1. November begangene Fest Allerheiligen erinnert die Christen an alle Heiligen, die kanonisiert wurden, und auch an die, über derer Heiligkeit nur Gott weiß. Mit diesem Fest ist Allerseelen am darauf folgenden Tag verbunden – der Gedenktag für alle Verstorbenen. An diesem Tag gehen die Leute auf den Friedhof und zünden hier Kerzen für alle Seelen an. Früher wurde in der Region Pilsen das den Judas (jidáše) ähnliche Gebäck gebacken, das Seelen (dušičky) genannt wurde. Dieses Gebäck wurde in der Kirche auch an Bettler verteilt. In den Dörfern gab es eine Tradition, nach der für verirrte Seelen Milch in Schüsseln gegeben und auch an das Dienstpersonal verteilt wurde.
Martinstag und Bullenhochzeit
Der Martinstag (11. November) ist ein weiterer Übergangstag, der eine markante Wetterveränderung vorhersagen sollte, denn die Wetterregel besagt: „Der Heilige Martin kommt auf einem weißen Pferd“ (Sv. Matin přijíždí na bílém koni). Man begann nun endgültig mit den Vorbereitungen für den Winter. Der Martinstag war auch der Tag, an dem das Gesinde des Hofes ausgetauscht wurde und an dem über den Gemeindehirt und -schmied entschieden wurde. Die mit dem Wechsel verbundene Zeremonie hieß Bullenhochzeit (bejčí svatba). Die Vertragsunterzeichnung endete mit einem Festmahl im Bürgermeisterhaus, für die der neue Hirt und der Schmied Fleisch liefern mussten. In den anderen Häusern wurde eine Martinsgans gebraten.
Texte: Daniel Bechný, Abteilung für Volkskunde, Westböhmisches Museum in Pilsen
Die Ausstellung kann ausgeliehen werden.
Ansprechpartner für Interessenten:
Maika Victor
Tel.: +49(0)9674 – 92 48 77
maika.victor@cebb.de
