Forum EU-Beitritt in bbkult.net: So sehen Tschechen im Kreis Pilsen den EU-Beitritt. MZ-Interview mit Regions-Präsidenten Dr. Zimmermann

Die Mittelbayerische Zeitung, Regensburg, veröffentlichte in ihrer Ausgabe vom 15./16.11.2003 unter der Überschrift "Der Schlusspunkt unter die Diktatur - so sehen Tschechen im Kreis Pilsen den EU-Beitritt" ein Interview mit dem Regions-Präsidenten Dr. Petr Zimmermann. Mit dem Beitritt Tschechiens zur Europäischen Union am 1. Mai nächsten Jahres wird nach Auffassung des Präsidenten der Region Pilsen, Dr. Petr Zimmermann, ein endgültiger Schlussstrich unter die Zeit der kommunistischen Diktatur gezogen. Zimmermann, der sich selbst eher als Europa-Skeptiker sieht, sagt in einem Interview mit der Mittelbayerischen Zeitung die Hoffnung auf die Zukunft überwiege die Skepsis deutlich. "Nicht ohne Grund haben bei uns 75 % Prozent der Menschen in dem Referendum für den EU-Beitritt gestimmt."
Seit längerer Zeit bereiten sich die Nachbarkreise Niederbayern, Oberpfalz und Pilsen gemeinsam auf die Zukunft in der Europäischen Union vor. Kürzlich fand die letzte Regionalkonferenz vor dem Beitritt im Westböhmischen Museum der Stadt Pilsen statt. Dabei wurde deutlich, dass die großen Entwicklungsachsen von Prag über Pilsen bis Regensburg und Nürnberg von dem EU-Beitritt des Nachbarstaates ganz massiv provitieren werden. Es bestehe aber die Gefahr, so Prof. Jörg Meier von der Universität Bayreuth, dass gerade die grenznahen, schwächer strukturierten Räume von der Entwicklung “übersprungen” werden könnten. Zimmermann gab sich überzeugt, dass die großen international tätigen Unternehmen keine Probleme mit der EU-Osterweiterung haben werden. Sorgen bereiten ihn in seinem Kreis vor allem die mittelständischen und die kleinen Unternehmen, die auf dem neuen Markt “kämpfen” müssen. Studien zufolge fühlen sich in der tschechischen Republik nur sechs Prozent der Unternehmen vollständig über den EU-Beitritt informiert. 14 Prozent erklärten, sie hätten keinerlei Informationen, 43 Prozent haben überhaupt noch keine Vorkehrungen getroffen und zehn Prozent geben an, der EU-Beitritt betreffe sie gar nicht. Sowohl Zimmermann wie auch Prof. Meier zerstreuten Bedenken auf bayerischer Seite, wonach es bei dem EU-Beitritt des Nachbarstaaates zu einer großen Wanderungsbewegung von Ost nach West kommen werde. “Die Tschechen sind sehr konservativ, die ziehen nicht einmal innerhalb ihres Landes gerne um”, sagte der Regionspräsident, der im Gegensatz zu seinem Oberpfälzer Gegenüber, Dr. Wilhelm Weidinger, nicht von der Regierung eingesetzt, sondern von den Regionsvertretern aus ihrer Mitte gewählt wird. Zimmermann zeigt sich gegenüber der MZ skeptisch, dass sich die Lebensverhältnisse in Ost und West schnell annähern würden. Dies sei zwar nicht an Zahlen, sondern an der inneren Zufriedenheit zu messen, sagte er. Sicher werde es aber noch “Jahre bis Jahrzehnte” dauern, bis sich die Unterschiede verwischt hätten. “Ich kann die Angst in Bayern verstehen, dass Unternehmen ihre Firmensitze nach Tschechien verlegen,” so Zimmermann. Die alten und die neuen europäischen Länder könnten aber nur voran kommen, wenn sie gemeinsam zu Reformen bereit seien, sagte der Regionspräsident. “Nur wenn wir für flexible Arbeitszeiten sind und Abstriche beim Sozialstaat machen, dann wird das gemeinsame Europa gegenüber Konkurrenten wie den USA oder Asien bestehen können”, so Zimmermann.