Archäopark Netolice

An der magischen Stelle des Tempels eines ehemaligen Premysliden-Burgstalls auf dem St.- Ján-Berg, direkt im städt. Denkmalschutzensemble in Netolice, entstand seit 2004 nach und nach ein archäologischer Park mit Schwerpunkt auf die wenig bekannte Periode der Entstehung des tschechischen Staates im frühen Mittelalter im 10.-13. Jhdt.
Es handelt sich um das erste südböhmische Bodendenkmal, das in Form einer direkten Rekonstruktion präsentiert wird. In Zusammenhang mit der Entstehung des premyslidischen Staates entstanden in Böhmen ab der Mitte des 10. Jhdts. eine Reihe fürstlicher Verwaltungsburgen als Provinzzentren. Auf dem Netz dieser Burgen, der Sitze der fürstlichen Verwalter (Kastellane), wurde auch das älteste Verwaltungssystem des tschechischen Staates begründet, das sog. Burgsystem. Eines seiner Bestandteile war auch die Netolicer Burg. Die erste schriftliche Aufzeichnung über sie finden wir in der lateinisch geschriebenen ersten Chronik Kosmas, Chronica Bohemorum, zum Jahr 981, wo sie zusammen mit Chýnov und Doudleby als Randburg angeführt wird.
Der älteste namentlich bekannte fürstliche Kastellan Nemoj wird bereits 1167 erwähnt. Die frühmittelalterliche Kastellansburg stand auf einem vom Rapačov-Bach umflossenen Felsvorsprung. Die Netolicer Burg und die Marktsiedlung waren zu der Zeit ein bedeutendes fürstliches und königliches Verwaltungszentrum und Militär- und Handelszentrum für einen beträchtlichen Teil Südböhmens an der Kreuzung mehrerer Handelswege. Die bekanntesten von ihnen waren der Linzer Steig nach Österreich und der Goldene Steig nach Bayern.
Auf der ehemaligen Akropolis des Burgstalls, die bereits im Frühmittelalter auch als Pfarrfriedhof benutzt worden war, stand ein kleines St.-Johannes-Kirchlein, das 1788 während der Reformen Kaiser Josefs II. aufgelöst wurde. Bis heute blieben hier die massiven Befestigungswälle erhalten und man findet eine Menge Keramikscherben, Gegenstände und sogar Knochenreste aus dem 10.-14. Jhdt.
Bis zur Mitte des 20. Jhdts., als das ganze Areal verödete, war hier ein beliebter Ausflugsort mit Park, Ausflugslokal, Kegelbahn und Tanzparkett. Auf der Akropolis des Burgstalls führt die Gesellschaft Archeos schon seit einigen Jahren archäologische Forschungsarbeiten durch, auf deren Basis und im Rahmen des Projekts Historische Landschaft der Region Netolice nach und nach ein archäologischer Park nach Art eines Open-air Museums entsteht.
Bis 2006 soll das erste Objekt als Veranschaulichung der Befestigung vollendet sein. Dies wird ein Teil des frühmittelalterlichen steinernen Schanzwerks und eine Holzpalisade mit Wachturm sein, der gleichzeitig als Aussichtsturm dienen wird, mit Aussicht auf die Stadt und das Panorama des Böhmerwalds. In weiteren Etappen sollen auf dem Areal nach und nach weitere Objekte entstehen, wie ein Besucherzentrum, Beispiele für Behausungen und Werkstätten und ein Herrscherpalast. Auch ein Wiederaufbau der St.-Johannes-Kirche in frühmittelalterlicher Gestalt wird in Erwägung gezogen.
Gegenwärtig wird in den mittelalterlichen Kellern des JUDr.-Otakar-Kudrna-Museums auch eine Ausstellung über das Frühmittelalter und den Burgstall vorbereitet. Alle Arbeiten werden mit archäologisch nachgewiesenen zeitgemäßen Techniken durchgeführt, d. h. mit Überprüfung der ursprünglichen Technologien, Materialien und Geräte. So entsteht ein für Besucher attraktives Tourismus-Produkt, das sowohl hinsichtlich der glaubwürdigen Präsentation historischer Baudetails, als auch aus wissenschaftlicher, Forschungs- und Bildungssicht wertvoll ist, mit der Möglichkeit zur Durchführung einer Menge verschiedener Kultur- und Bildungsaktionen. Zugleich wird an dieser reizvollen Stelle eines der wichtigsten südböhmischen Kulturdenkmäler aus der Zeit der Entstehung des tschechischen Staates rehabilitiert, und so erhält es den würdigen Platz zurück, der ihr in der Geschichte zu Recht zusteht.
Der Burgstall befindet sich auf einer Felszunge über dem Rapačov-Bach unweit der Stadtmitte Netolices. Gegenwärtig wird ein Großteil der Parkfläche vom Hundeklub genutzt, der Haupt-Durchgangsweg jedoch, der über die Akropolis des Burgstalls führt, ist für die Öffentlichkeit frei zugänglich. Der Besucher hat hier Gelegenheit, das Profil des Körpers des aufgeschütteten Hauptwalls aus dem 10. Jhdt., eine rekonstruierte Stützmauer mit dem Körper einer Kammer-Burgbefestigung mit Palisade an der Stelle der Ausgrabung von 2000 und die Reste eines kleineren Zangentors im Gelände zu sehen. Der Zugang zum Burgstall ist am bequemsten am Haus des ruhigen Alters (Seniorenheim) vorbei über die Brücke, am Bach entlang und auf dem Asphaltweg zur Kleingartenkolonie.