Freilichtspiel “Der Drachenstich”
Der Further Drachenstich hat seinen Ursprung offensichtlich in der Fronleichnamsprozession. Bereits 1590 wurde in einem Protokoll erwähnt, dass das „Drackenstecken bay hiesiger Statt yber die 200 Jahr ohn Unterbrechung observired wird“. Zur damaliger Zeit war es üblich, die Prozession mit lebendigen Bildern der Heilsgeschichte auszugestalten, in diesem Fall mit der Lebensgeschichte des Hl. Georg und dessen Kampf gegen den Drachen, das Böse.
Eine Zäsur für den Further Drachenstich brachte die Epoche der Aufklärung, in der man ihn sogar abschaffen wollte. Dagegen führten die Further über Jahrzehnte hinweg einen zähen, zunächst aussichtslos erscheinenden Kampf. Verschiedene Schreiben belegen das Hin und Her zwischen den Stadtverantwortlichen und den Regierenden. Da auch die Andacht der Prozessionsteilnehmer ständig unter dem Schauspiel litt, erteile das bischöfliche Konsistorium in Regensburg an den Further Pfarrer am 6. März 1754 den Befehl: „…dass bemeltes Drachenstecken auf keinerlei Weise mehr gestatte, sonder si opus fuerit brachio saeculari, abstellig machen soll….“ (der Pfarrer möge doch den weltlichen Arm anrufen, wenn das Spiel trotzdem aufgeführt werden sollte).
Immer wieder begründeten die Further ihr Festhalten am Drachenstich mit dem einleuchtenden Hinweis: „Dass das hiesige Städtlein an der höchstbedauerlichen Böhmischen Gränitz liege und… von allem Gewerb befreyet stehe, inmassen der Ort keinen Zugang, so folglich auch andererseits an Pier, Brod, Fleisch keinen Ausgang hat, außer an dem Tag, da viele hundert Menschen zum Drachenstechen in die Stadt kommen…“
Der heutige Drachenstich ist in seiner Handlung ein rein weltliches Spiel, das sich erst im Höhepunkt wieder der alten Georgslegende nähert. Die 1952 von dem Schriftsteller Josef Martin Bauer geschaffene, im Jahr 2006 vom jetztigen Regisseur modernisierte Fassung hat als geschichtlichen Hintergrund die für diesen geografischen Raum verhängnisvollen Hussitenkriege. Es herrschte Not und Elend, die Zeit, „da der Drache aus den Wäldern emporsteigt“. Man sagte, er würde sich zufrieden geben, wenn ein „reiner“ Mensch sich freiwillig opfert. Die Further Burgherrin war dazu bereit, glücklicherweise kehrt aber der schon „totgeglaubte“ Lehensmann Udo, ihr Geliebter, von der Schlacht heim. Er wird zum Ritter geschlagen und tötet den Drachen, das Symbol für Unheil, Haß und Verderben.
Für die Further Bevölkerung ist die Zeit des Drachenstichs die fünfte Jahreszeit. Viele sind dabei, wenn bei den 12 Aufführungen des Festspieles der Drache „gestochen“ wird, und wenn die Stadt ihre lange geschichtliche Entwicklung in einem großen historischen Festzug dokumentiert. Mehr als 1.400 Personen, alle in Gewändern und Kleidern der jeweiligen Zeit, über 250 Pferde, singende und trinkende Landsknechte, Gaukler und natürlich das Volk, immer wieder geschunden in den Wirren der Kriege, welche diese Stadt an der böhmischen-bayerischen Grenze in besonderer Weise gezeichnet haben.
Seit einigen Jahren zieht auch das am dritten Samstag im August stattfindende „Große historische Kinderfest“ mit einem eigenen „Kinderdrachenstich“, und vielen historischen Spielen für die Kinder, junge und erwachsene Gäste in die Stadt.
Das Bild des Drachen hat die Menschen seit Jahrtausenden fasziniert und erschreckt zugleich. Den einen galten Drachen als Ungeheuer, unheilbringende Wesen, als Sinnbild des Bösen schlechthin, den anderen als Symbol des ewig bewegten Lebens und Sterbens. Der Further Drachenstich versucht diese uralte menschliche Tragik mit den Mitteln des dramatischen Schauspiels vor einem historischen Hintergrund darzustellen.
Geschichtlicher Hintergrund des Drachenstich-Festspiels
Jan Hus und die Hussitenkriege (Ein Mann bringt Europa in Aufruhr)
Jan Hus kann den beklagenswerten Zustand der Kirche am Ende des Mittelalters nicht mehr mit ansehen: Die Geistlichen gleiten in die sittliche Verwahrlosung ab. Drei Päpste erheben sich gleichzeitig auf den Stuhl Petri und bekämpfen einander bis aufs Messer. Die fortschreitende Verweltlichung der Kirche, die Vergebung der Sünden gegen Zahlungen („Ablasshandel“) und die hemmungslose Abgabenpolitik der römischen Kurie sorgen europaweit für Empörung. Doch Jan Hus ist der einzige auf dem Kontinent, der es wagt, dagegen aufzuschreien. Dafür erhält er viel Beilfall – und zieht sich den Hass der päpstlichen Kurie zu.
Die Ihm applaudieren, sind vor allem die Böhmen. Er schenkt ihnen nationales Selbstbewusstsein: Weil sie allenthalben von den Deutschen hemmungslos dominiert werden, fordert er mehr Rechte für die Böhmen in ihrem eigenen Land. Die tschechische Sprache soll endlich anerkannt und selbst in den Gottesdiensten zugelassen werden. Und an der ältesten deutschen Universität, der Universität Prag, wo Hus lehrt, sollen die Böhmen ebenfalls zu ihrem Recht kommen und nicht von den Deutschen verdrängt werden. Gegen die Verweltlichung der Kirche empfiehlt Hus die radikale Urkirche, die sich nur noch der Verkündigung der Heiligen Schrift widmet und keine weltlichen Pfründe mehr anhäuft. Das wahre Wort Gottes braucht keine prächtigen Kirchen und keine Heiligenverehrung. Jan Hus ist so überzeugt von seinen Positionen, dass er sich sogar vom Kaiser nach Konstanz locken lässt, um dort im Jahr 1415 vor einem Konzil seine Thesen zu verteidigen. Doch zum Disput mit den versammelten Kirchenmännern kommt es gar nicht erst: Jan Hus wird kurzerhand verhaftet, wegen „Ketzerei“ verurteilt und öffentlich hingerichtet. Ein Aufschrei der Empörung geht durch Böhmen. Man verweigert Kaiser Sigismund – dem tragisch um seine Macht ringenden letzten Herrscher aus dem Haus der Luxemburger – den böhmischen Thron. Mit Gewalt und der Unterstützung des Vatikans will er sich die böhmische Krone holen und lässt Kreuzzug auf Kreuzzug nach Böhmen marschieren – und ein ums andere Mal kassiert er dafür eine blutige Nase.
Der letzte Kreuzzug
Das Jahr 1431 – in dem die Handlung des Drachenstich-Festspiels einsetzt – soll nun endlich die ersehnte Wende bringen. Nicht einzelne Verbände – nein, die gesamte Reichsritterschaft lädt Sigismund auf die Nürnberger Burg ein. Dort sollen sie – nach vier peinlichen Niederlagen – von einem fünften und entscheidenden Kreuzzug überzeugt werden. Der Papst schickt seinen besten Mann, um die Reichsritterschaft zu überreden: Kardinal Giuliano Cesarini, der seine Ahnen auf den römischen Feldherrn Julius Cäsar zurückführt, bietet seine ganze Überzeugungskunst auf. Und tatsächlich: Die Ritter marschieren. Die freien Reichsstädte – egal ob Augsburg oder Regensburg – um sich dieser lästigen Pflicht zu entledigen?
Wenige reguläre Krieger und viele Menschen, ohne rechte Perspektive: Verkommene, Verzweifelte, ja sogar Verbrecher. Nicht Ruhm und Ehre suchen sie im Krieg, sondern möglichst viele ergiebige Plünderungen – egal o diesseits oder jenseits der Grenze. Und so marschiert denn im August 1431 ein mächtiges Heer gen Böhmen. Man kann davon ausgehen, dass auch die Cham – Further Senke zum Aufmarschgebiet gehört. Allen voran zieht Kardinal Cesarini in die Schlacht, gefolgt von den bayerischen Herzögen. Kaiser Sigismund indes zieht es vor, hinter den sicheren Stadtmauern von Nürnberg auf das Ergebnis der Schlacht zu warten. Militärisch verantwortlich für das Heer ist der Burggraf von Nürnberg – kein Geringerer als Friedrich, der Markgraf von Brandenburg, aus dem später das deutsche Kaisergeschlecht der Hohenzollern hervorgehen wird. Vorerst aber ist der Brandenburger bei den Nürnbergern so unbeliebt, dass sie ihm seine Burggebäude unter dem Hintern weg -brennen; noch heute klafft auf dem Areal der Nürnberger Burg eine große Lücke, über der sich einzig der markante Sinwell – Turm erhebt, das Wahrzeichen Nürnbergs. Und während sich die Truppenverbände rund um die böhmische Stadt Taus (heute: Domazlice) versammeln, wartet man in Furth auf den Ausgang der bevorstehenden Schlacht.
Eine Grenzstadt als „Bauernopfer“
Furth war durch seine topographische Lage schon immer ein bayerischer Vorposten an der böhmischen Grenze – sozusagen die „Knautschzone“ zum Schutz des Herzogtums Bayern und vor allem der reichen Stadt Cham, die bereits über eine Stadtmauer verfügte. Die Entwicklung von Furth wird von den bayerischen Herzögen Jahrhunderte lang entschlossen vorangetrieben – sei es durch forcierte Besiedlung, sei es durch die großzügige Gewährung von attraktiven Markt- und Stadtrechten. Alten Quellen zufolge war Furth den Übergriffen hussitischer Plünderer wiederholt ausgeliefert – und muss auch mindestens einmal völlig niedergebrannt sein. Unter den wechselseitigen Überfällen und Vergeltungsschlägen hatte man beiderseits der Grenze sehr zu leiden – bis tief ins Landesinnere. Nun also, in der Entscheidungsschlacht bei Taus, soll sich das Blatt endgültig wenden – an jenem Tag, an dem das Drachenstich-Festspiel sich ereignet….
Späte Entschuldigung
Es wird genau 584 Jahre dauern, bis die Katholische Kirche Jan Hus rehabilitiert: 1999 würdigt Papst Johannes II. die enorme Bedeutung von Jan Hus für das tschechische Volk und spricht sein tiefes Bedauern über den Hus zugefügten grausamen Tod aus.