Kultur- und RadTour 2025 – Gratzener Bergland und Lainsitztal
Die 11. Kultur- und RadTour von Centrum Bavaria Bohemia führte vom 27. bis 30. August 2025 in das Gratzener Bergland und in das Lainsitztal.
Dass das Format ungebrochen beliebt ist, zeigte die große Nachfrage. So war die Reise schnell ausgebucht, zumal die Teilnehmerzahl aus Kapazitätsgrenzen auf 25 Fahrräder bzw. 25 Personen beschränkt ist.
Das Gratzener Bergland erstreckt sich entlang der an der Grenze zwischen Tschechien, Ober- und Niederösterreich. Die Gegend ist mehr hügelig als bergig, kaum eine Erhebung, die die 1000-Meter-Marke übersteigt.
Da ein etwa fünf Kilometer breiter Streifen entlang des ehemaligen Eisernen Vorhangs von der Nachkriegszeit bis 1990 Sperrgebiet war, konnte sich in weiten Teilen der Region eine unberührte Natur erhalten. Signifikanter Unterschied zum angrenzenden Böhmerwald ist eine fehlende touristische Infrastruktur. Es gibt kaum Hotels und keine Eisenbahn, es ist eine Gegend für Naturliebhaber.
Gestaltet und begleitet wurde die Kultur- und RadTour von Dr. Mikuláš Zvánovec, der den meisten Reiseteilnehmern von den vorangegangen Radtouren bereits bestens bekannt war. Mikuláš bezeichnete das Gratzener Bergland als „Landschaft seines Herzens“, hatte er doch hier teilweise seine Kindheit verbracht. Wie nicht anders zu erwarten, hat uns Míkuláš wieder souverän und mit viel Herzblut durch die Reise begleitet und eine Fülle von Informationen zu Land und Leuten gegeben.
Nach der Anreise via Pilsen, Písek und České Budějovice, konnte es im österreichischen Waldviertel, unweit von Karlstift, endlich losgehen. Pünktlich zum Start zeigte sich die Sonne – und das sollte die nächsten Tage auch so bleiben!
Schon nach kurzer Wegstrecke war die Grenze erreicht. Vor dem Grenzübertritt wurde an der „Bucherser Gedenkkapelle“ ein erster Halt eingelegt. Die Kapelle war von Heimatvertriebenen aus dem damals auf tschechoslowakischem Staatsgebiet befindlichen Nachbarort Buchers initiiert und 1984 eingeweiht worden.
An das ehemalige Dorf Pohoří na Šumavě (Buchers im Böhmerwald) erinnert heute nur noch die teilweise eingestürzte Kirche. Buchers zählte gegen Ende des 2. Weltkrieges rund 1.000 Bewohner. Durch die Lage am Eisernen Vorhang wurde der deutschböhmische Teil nach dem Zweiten Weltkrieg entsiedelt. Die Grenznähe wurde dem Dorf – wie unzähligen anderen Orten auch – schließlich zum Verhängnis. Seit der politischen Wende von 1989/90 hat eine zaghafte Neubesiedelung eingesetzt.
Durch eine malerische und unberührte Natur führte der Weg über Benešov nad Černou (Beneschau) schließlich nach Kaplice, wo die erste Radetappe endete, aber nicht ohne zuvor in Beneschau einen Abstecher zu einem Adalbert-Stifter-Gedenkstein gemacht zu haben (angeblich hatte der große Böhmerwalddichter in Beneschau seine Sommermonate verbracht). Zur Erinnerung: Bei der Kultur- und RadTour 2023 hatten wir Stifter´s Geburtshaus in Horní Planá (Oberplan) besucht.
Bei der Unterbringung in Budweis hat das CeBB-Organisationsteam um Susanne Setzer auf das bewährte Hotel Budweis zurückgegriffen, ein ansprechender Bau, der aus einer ehemals an der Moldau gelegenen Mühle hervorgegangen ist (der Flusslauf der Moldau wurde später verlegt).
Die zweite Etappe startete am 28. August 2025 bei Hojná Voda (Heilbrunn). Mikuláš bezeichnete den Ort als prägend für seine Kindheit: Hier wohnte seine Oma und hier wurde in den 1990er Jahren noch viel vom Eisernen Vorhang gesprochen.
Weithin sichtbar dominiert die Wallfahrtskirche Maria Trost in Dobrá Voda (Brünnl) das Gratzener Bergland. Man fragt sich, was beeindruckender ist: Der Anblick der Kirche aus der Ferne oder der Ausblick von der Kirche auf die umliegenden Wälder und Felder. Das Barockjuwel, das teilweise in einem desolaten Zustand war, wurde in den Jahren 2011 bis 2015 vollständig saniert und restauriert. Unter der Haupttreppe des Gotteshauses plätschert die Quelle, die der Siedlung ihren Namen gab: Dobrá voda -„gutes Wasser“. Das Wasser soll eine heilsame Wirkung haben – und sogar verjüngen. Dementsprechend fleißig wird es abgefüllt …
In der Kapelle in Dlouhá Stropnice (Langstrobnitz) erzählt eine Dauerausstellung mit dem Titel „Gemeinsame Wurzeln – eine gemeinsame Zukunft“ die Geschichte der Region. Mikuláš lenkte den Blick besonders auf den in Dlouhá Stropnice gebürtigen Wenzel Jaksch, der sich im Nachkriegsdeutschland als sozialdemokratischer Politiker und als Präsident des Vertriebenenbundes sowie als Vizepräsident der Sudetendeutschen Landsmannschaft für die Interessen der heimatvertriebenen Sudetendeutschen eingesetzt hat.
Nach kurzem Halt an der Hrad Cuknštein (Burg Zuckenstein) ging’s ins weiter in das romantische Theresienthal, einem vom Geschlecht der Buquoy im 18. Jh. angelegten Landschaftspark mit Wenzelsbad und künstlichen Wasserfall. Die Buquoy waren im Zuge des Dreißigjährigen Krieges aus Frankreich nach Böhmen gekommen, gelangten hier zu Besitz und gewannen politischen und kulturellen Einfluss.
Nové Hrady (Gratzen) ist ein ruhiger Ort, in dem aus früheren Zeiten noch ein paar prächtige Bauten erhalten blieben, wie z. B. das Renaissance-Rathaus am Marktplatz. Die Stadt liegt an der Grenze zu Österreich und wird heute auch als „Stadt ohne Grenzen“ bezeichnet. Als Sitz der Buquoy ist Gratzen eng mit dem Adelsgeschlecht verbunden. Nach einer Pflicht-Auffahrt in den Innenhof der Burg von Nové Hrady wurde in der restaurierten Zevl-Mühle bei einem vor Ort gebrautem „Zevlák“ das Mittagessen eingenommen.
Der Nachmittag führte zunächst in das österreichische Waldviertel nach Gmünd. Der Radweg Euro-Velo 13 (Iron-Curtain-Trail) verläuft entlang des ehemaligen Eisernen Vorhangs, der auch zu Österreich hin eine tödliche Grenze war. Beim Grenzübergang Nové Hrady hat man in Verbindung mit einer kleinen Ausstellung einige Relikte der früheren Grenzsicherungsanlagen erhalten, z. B. Wegebarrieren in Form von Spanischen Reitern und einen zweireihigen Stacheldrahtzaun (darunter auch in der stromführenden Version mit Isolatoren, wie er bis 1965 verwendet wurde). Ein beklemmender Ort, von dem nach der politischen Wende von 1989/90 geborene Generationen oftmals gar nicht wissen, dass es die Grenze in dieser Form überhaupt gab.
Dem Flusslauf der Lainsitz folgend, führte die Strecke schließlich nach Weitra, wo die Tagesetappe am Rathausplatz endete. Weitra bezeichnet sich als älteste Älteste Braustadt Österreichs.
Bei einem südböhmischen Abend im Biergarten des Restaurants „Kozlovna“ gab es ein Wiedersehen mit der ebenfalls von der Kulturtour 2023 schon bekannten Gruppe Leťáci aus Kamený Ujezd, die mit ihrer Stimmungsmusik begeisterte – ein echtes Stück regionaler Musikkultur!
Das märchenhafte Schloss Červená Lhota (Wasserschloss Rotlhota) bildete den Startpunkt zur dritten Radetappe. Ein Postkartenmotiv: Das bonbonrote Juwel im Grünen kann man ohne Übertreibung als eines der malerischsten Schlösser Europas bezeichnen. Kaum ein Reiseführer, in dem es nicht zu finden ist. Schade nur, dass im August 2025 das umgebende Wasser nahezu vollständig abgelassen war.
Der Lainsitz weiter folgend, führte die Strecke durch die Kleinstädte Sobešlav (Sobieslau) und Planá nad Lužnicí (Plan), wobei letztere eine bekannte Sommerfrische war. Vor einhundert Jahren verbrachte hier Franz Kafka seine Sommeraufenthalte. Am Haus, in dem der weltbekannte Schriftsteller an seinem Roman „Das Schloss“ arbeitete, wurde kurz innegehalten. Mikuláš berichtete von einem von ihm initiierten Symposium 2024 in Budweis, bei dem die Rolle Südböhmens im Leben des Schriftstellers beleuchtet wurde.
Inmitten eines Naturparks in Sezimovo Ústí (Alttabor) befindet sich die Familienvilla des 2. Tschechoslowakischen Präsidenten Dr. Edvard Beneš, die nach seiner Wahl 1935 zur Präsidentenresidenz wurde. Unweit der Villa befindet sich auch die Gruft des Ehepaares Beneš. Beneš war nach Kriegsende 1946 erneut zum Präsidenten der Tschechoslowakei gewählt worden. In diesem Jahr hat er die später nach ihm benannten Beneš-Dekrete erlassen, welche zur Vertreibung der deutschsprachigen Bevölkerung führten.
Das Tagesziel Tabor ist untrennbar mit der Hussitenbewegung verbunden. Der alte Kern mit seinen verwinkelten Gassen und niederen Bürgerhäusern präsentiert sich überaus reizvoll. Es kommt nicht oft vor, dass eine Stadt in Mitteleuropa einen biblischen Namen trägt. Eine Ausnahme bildet Tabor, benannt nach dem Berg Thabor bei Nazareth. Ihre Gründer, Anhänger der tschechischen hussitischen Reformbewegung, bauten sie mit der Entschlossenheit, ein neues Gemeinwesen zu schaffen, das menschliche Gesetze ablehnte und nur von Gottes Gesetz regiert wurde.
Die Abschlussetappe am 30. August 2025 startete beim Aussichtsturm auf dem Libín, in einer wenig bekannten und kaum berührten Waldlandschaft. Die genüssliche Abfahrt vom 1.096 m hohen Libín führte zunächst durch das wunderschöne Böhmerwaldvorland nach Záblatí (Bad Gründschädel), dem Geburtsort von Johanna Mugrauer, die als „Nachtigall des Böhmerwaldes“ bekannt war (+1940). Eine Gedenkplatte in der Friedhofmauer erinnert an die Sängerin, die Auftritte an den großen europäischen Opernhäusern und an der Metropolitan Opera in New York feiern konnte.
Bevor das würdige Ziel der diesjährigen Kultur- und RadTour, die Stadt Prachatice, erreicht war, wurde noch Station in Husinec (Husinetz) gemacht. Der Ort ist vorrangig Ziel von Historikern und Theologen. Denn hier wurde um 1370 Jan Hus geboren. In seinem Geburtshaus befindet sich eine Gedenkstätte zu Ehren des tschechischen Kirchenreformators. Hus hatte gut 100 Jahre vor Martin Luther die Abkehr der Kirche von Besitz und weltlichem Machtstreben gefordert. Sein Feuertod auf dem Konzil in Konstanz wirkte wie ein Fanal in Böhmen und mündete schließlich in den Hussitenkriegen.
Dem Salzhandel am Goldenen Steig verdankt Prachatice (Prachatitz) eine denkmalgeschützte Altstadt, in der sich schmucke Renaissancebauten um die besten Plätze streiten. Zentrum der Stadt ist der Marktplatz, der stolz Velké náměstí, „Großer Platz“, genannt wird. Im Pivovar Prachatice ließen wir die 4-tägige Kultur- und RadTour ausklingen.
Fazit:
Vier Tage, viele Kilometer und unzählige Eindrücke – die 11. CeBB Kultur- und RadTour begeisterte alle Teilnehmer. Zwischen sportlicher Herausforderung, Naturerlebnis, Musik und Kultur war es genau die richtige Mischung.
Bevor die Heimreise in die Oberpfalz angetreten wurde, bedankte sich Susanne Setzer mit herzlichen Worten und einem Geschenk bei Mikuláš für die Reiseleitung. Und nicht minder herzlich dankte Irene Träxler als 2. Vorsitzende des Trägervereins Bavaria Bohemia e. V.. Susanne Setzer für deren unermüdlichen Einsatz in Sachen Kultur- und RadTour.
War die viertägige Radltour noch unfall- und pannenfrei verlaufen, so ging sie doch nicht ganz ohne Abenteuer zu Ende. Im Bus geschah das Unfassbare: Ein Reiseteilnehmer musste knapp eine halbe Stunde lang unfreiwillig in der Bustoilette ausharren, bis er vom Busfahrer Christian aus seiner misslichen Lage befreit wurde. Der Betroffene nahm’s mit Humor und die wiedererlangte Freiheit wurde kurzerhand gefeiert: Mit einem Becherovka wurde sowohl die Errettung aus der Not, wie auch auf die gelungene Reise angestoßen.
Na zdraví – Auf die Gesundheit – und die nächste Kultur- und RadTour!
Von Alfons und Renate Zisler, Schwandorf